Nach der weitestgehend enttäuschenden Lektüre von „Der Gedankenleser“ traute ich mich nun gar nicht mehr, mir noch ein weiteres Buch des Autors anzutun. Und dann auch noch eins, das u.a. den Tod thematisiert. Allerdings hatte ich J. Domian kürzlich in der Talkrunde „Hart aber fair“ gesehen und konnte seinen Äußerungen rund um den Problemkomplex Sterben - Sterbehilfe – Tod auf Grund eigener Erfahrungen im Familien- und Freundeskreis uneingeschränkt zustimmen.
Dennoch blieb die Frage, ob ich mich zu diesem Zeitpunkt wirklich intensiver damit auseinandersetzen wollte. Würde es mich nicht zu sehr belasten, alte Wunden aufreißen, halbwegs verarbeitet Geglaubtes wieder aufwühlen?
Nach einigem inneren Ringen lud ich mir das Buch dann schließlich doch auf meinen eReader, fing sofort an zu lesen – und fand meine Bedenken bald gänzlich unbegründet:
In 9 Kapiteln setzt sich der 1957 geborene Autor sehr fundiert mit dem Thema Religion, zahlreichen Aspekten rund um Tod und Sterben inklusive Sterbehilfe, Palliativmedizin und Hospizbetreuung auseinander. Jedes Kapitel ist zweigeteilt: Zum einen legt Domian seine persönliche Einstellung zu Einzelbereichen des oben genannten Themenkomplexes dar – wobei erwähnt sei, dass er sich bereits seit seiner Jugend intensiv mit Religion und Kirche sowie dem Tod auseinandergesetzt hat. Er stützt sich dabei argumentativ auch auf Philosophen, indem er kurz und prägnant – und vor allem verständlich! - deren zum Teil recht unterschiedliche Sichtweisen gegeneinander abwägt. Einige Beispiele aus seiner Talk-Praxis und seinem privaten Umfeld untermauern seine Haltung zusätzlich. Es wird dabei sehr deutlich, dass Domian, der sich zwar – nach einigen fanatischen Glaubensjahren in der Jugend – von der Institution Kirche abgewandt hat, ein zutiefst in sich ruhender und gefestigter Mensch ist.
Zum anderen personifiziert er den Tod und stellt ihm als Interviewer Fragen, die er diesen beantworten lässt. Dabei nimmt er den „Sensenmann“ angemessen ernst, dramatisiert aber nicht und drückt schon gar nicht auf die Tränendrüsen. Zum Teil greift er vorher Gesagtes dabei noch einmal auf, um es aus anderer Sicht zu beleuchten.
Resümee: Meine eingangs geschilderten Sorgen und Ängste bzgl. der Lektüre dieses Buches waren allesamt gänzlich unbegründet. Dies ist ein außergewöhnliches und lesenswertes Werk, dabei keinesfalls leicht verdaulich - es fordert die eigene Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex. Aber der Autor hat meine eigenen Erlebnisse, Gedanken und auch Ängste auf so sensible Weise - und dabei doch eindeutig Stellung beziehend – angesprochen, dass ich nicht ein einziges Mal einen Kloß im Hals hatte. Ich werde es mit Sicherheit sogar noch mindestens ein weiteres Mal lesen.
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