Ein Münsterland-Krimi
Marius Baar, 24-jähriger BWL-Student, Unternehmer-Sohn und designierter Nachfolger seines Vaters, steigt nachts an seinem Heimatbahnhof Gertenbeck aus dem Zug. Er ist sturzbetrunken und in denkbar schlechter psychischer Verfassung. So bemerkt er zunächst nicht die drei angetrunkenen Gymnasiasten mit Lederjacken, Jogginghosen und Basecaps, die ihn im Vorbeigehen anrempeln. Marius schimpft wütend, man pöbelt sich gegenseitig an, der Streit eskaliert und endet schließlich in einer brutalen Schlägerei. Als Marius bewusstlos am Boden liegt, fliehen die drei Jugendlichen. Unmittelbar darauf wird der Student tot aufgefunden, die Täter können dank hilfreicher Zeugen schnell gefasst werden.
Da der Fall klar scheint, geht es bei der Verhandlung vor dem Landgericht im Wesentlichen „nur“ noch darum, ob es sich bei dem Delikt um „Körper- verletzung mit Todesfolge“ oder „Totschlag“ handelt – die Beantwortung dieser Frage ist für das Strafmaß entscheidend.
Auch Bernhard Hambrock, der in dem Fall ermittelnde Leiter der Mord- kommission, nimmt an der Verhandlung teil und macht eine eigenartige Beobachtung. Je länger er darüber nachdenkt, umso mehr bekommt er
ein ungutes Gefühl bzgl. einer Verurteilung der drei Angeklagten. Daher stellt er erneut Nachforschungen an, vornehmlich im familiären Umfeld des getöteten Marius Baar. Er findet bald heraus, dass hinter der nach außen demonstrierten schönen Fassade beileibe nicht eitel Sonnenschein herrscht:
• Vater Klaus Baar ist ein erfolgreicher Unternehmer und gnadenloser, scheinbar gefühlloser Patriarch, der keinen Widerspruch duldet. Beruflich und privat haben sich alle widerspruchslos seinem Diktat unterzuordnen.
• Die Mutter bleibt weitestgehend gestalt- und farblos, hat kaum etwas zu sagen.
• Sohn Marius studierte Betriebswirtschaft, denn als Erstgeborener war es seine Pflicht, später einmal das elterliche Unternehmen zu übernehmen. Dass er dazu weder die geringste Lust verspürte, noch die nötigen Fähig- keiten besaß, ließ den Vater kalt.
• Tochter Nicole dagegen brennt für die Firma, engagiert sich und würde liebend gerne ihren älteren Bruder ausbooten, um selbst die Nachfolge
von Klaus Baar anzutreten. Doch der lässt nicht mit sich reden.
• Um die pubertierenden Söhne Nils und Robert kümmert sich keiner so recht. Es fällt den Eltern nicht auf, dass sie gelegentlich die Schule schwän- zen, nachts durchs Fenster verschwinden oder sich einer rechten Gruppie- rung anschließen und sich manchmal an der Grenze der Legalität bewegen. Wie ihr Bruder Marius leiden auch sie unter der lieblosen Familien-Atmo- sphäre.
Und dann ist da noch die attraktive Mulattin Nathalie, in die sich Marius ernsthaft verliebt hat. Bei ihr erfährt er die Nestwärme, die er zu Hause vermisst, mit ihr möchte er eine gemeinsame Zukunft planen. Das Problem: Marius weiß genau, dass seine Familie die junge Frau nie akzeptieren würde, er sie nicht einmal mitbringen darf. Daher verschweigt er die Be- ziehung zu Hause, weiht nur seinen Bruder Robert ein. Doch auch seine Schwester erfährt davon …
Resümee: So schreibt man Krimis!
Zwar weiß der Leser von Anfang an, dass und wie Marius Baar stirbt, jedoch bleiben die wirklichen Hintergründe und Umstände bis ganz zum Schluss im Dunklen.
Diese werden nämlich nach und nach in 2 Handlungssträngen entwickelt, die kapitelweise wechseln:
Der eine spielt in der Gegenwart während der Verhandlungstage: Kommissar Bernhard Hambrock setzt sich noch einmal intensiv mit dem eigentlich abge- schlossenen Fall auseinander und kümmert sich nebenbei auch noch um den verwaisten Jugendlichen Fabio.
Die andere Geschehensebene schildert die Ereignisse um Marius, seit er sich Nathalie verliebt hat bis hin zu seinem gewaltsamen Tod.
Es ist faszinierend, wie der Autor es schafft, beide Stränge unaufhörlich immer mehr miteinander zu verflechten, bis sie am Schluss schließlich unauflöslich miteinander verwoben sind und ein Ganzes bilden.
Unvorhergesehene Ereignisse, überzeugende, da in sich schlüssige Wen- dungen, sehr gut herausgearbeitete und psychologisch klar umrissene Charaktere tun ein Übriges, um dieses Buch zu einer spannenden Lektüre zu machen.
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Stefan Holtkötter (Montag, 05 August 2013 16:42)
Vielen Dank für die schöne Rezension! Freut mich sehr!
Viele Grüße aus Berlin