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Elmar Traks

Elmar Traks

Busch, Petra (Hrsg.) - Mördchen fürs Örtchen (2011)

Petra Busch hat mit diesem Buch eine Sammlung von 42 Kurzkrimis herausgebracht, jeder von einem anderen renommierten deutschsprachigen Schriftsteller geschrieben.

Sie alle thematisieren das Ableben rund ums manchmal gar

nicht so „stille Örtchen“. Abschließend werden die einzelnen

Autoren kurz vorgestellt.

Da die nachfolgende Beschreibung der einzelnen Texte naturgemäß recht lang ist, möchte ich ausnahmsweise das Resümee nicht nur voranstellen, sondern auch kurz halten – der Leser möge anhand der Inhaltsangaben selbst entscheiden, ob ihm die Anthologie zusagt. Dass einem bei  42 Kurz- krimis nicht alle gleichermaßen gefallen, ist zu erwarten. Denn wenn sie auch ein gemeinsames Thema haben, so sind sie doch stilistisch und inhaltlich ganz unterschiedlich ausgestaltet – von (bitter-) böse über witzig, skurril und sogar gereimt bis dramatisch ist alles vertreten, ebenso wie z.B. Stan- dard-WC's, Plumpsklos, Abtritte, historische Notdurft-Anlagen, Designer-Toiletten und die freie Natur. Immerhin sprachen mich von den 42 Geschich- ten nur 2 so wenig an, dass ich sie nicht zu Ende gelesen habe, 4 fand ich hervorragend, für die anderen würde ich die aus der Schule bekannten (hier: Gefallens-) Noten 2 bis 4 geben. 

Nun zu den einzelnen Texten:

 

Ralf Kramp macht mit einem „null null“-Gedicht den Anfang, bei dem im Bahnhofsklo munter diverse Päckchen von Kabine zu Kabine geschoben werden.

 

Amelie Kirsch schildert Karl (alias Kahl)-Heinz' China-Urlaub mit Gattin Renate. Im Gegensatz zu ihr lernt er die zum Teil recht primitiven Toiletten schätzen – besonders eine.

 

Bei Elke Pistor's Geschichte „kinderlieb“ läuft es einem von Anfang an eiskalt den Rücken runter, wenn man von den Ereignissen auf einer Schultoilette erfährt.

 

Thomas Kasturas' „le président“ war mir zu surrealistisch – diese Geschichte habe ich nicht zu Ende gelesen.

 

Eine Polizistin mit „blaulicht“-Allergie spielt bei Mischa Bach die Hauptrolle. D.h. eigentlich bekommt sie beim Anblick alles Blauen heftigste Migräne-Anfälle, die sie zur Klo-Schüssel zwingen.

 

Lisa Graf-Riemann beschreibt den „weg alles irdischen“, bei dem ein „Königlich Bayerisches Scheißhäusel“ eine zentrale Rolle spielt.

 

In Michael Bohnert's Geschichte monologisiert eine alte beinamputierte Frau mit ihrem asozialen Sohn „erwin“. Auf dem Etagenklo entscheidet sich beider Schicksal.

 

„löwenkönig“ ist der Titel des Krimis von Nessa Altura und der Name eines Opfers in einem ungelösten Mordfall. Die damals ermittelnde Kriminal- kommissarin befindet sich nun auf einer Safari in Tansania, wo sie während einer Rast das WC in Gestalt einer primitiven Holzhütte aufsucht.

 

Der Fußballstar Herbert Kopeinik und der mittellose Eduard Schestak sehen sich zum Verwechseln ähnlich. Auf dem Klo der Spieler-Kabine erfährt das Leben beider Männer eine entscheidende Wende – und einer ist „der mann mit der goldenen backe“. Autor ist Stefan Slupetzky.

 

„eine witwe verschwindet“ bei Judith Merchant spurlos beim Gang zur Karstadt-Toilette. Doch zum Glück ist da ihre clevere Freundin, mit der sie gerade in der Kaufhaus-Kantine gegessen hat.

 

Paul Lascaux' „kobaltblau“ beginnt damit, dass sich ein Wanderer in der Natur erleichtert und von einem Hubschrauber-Piloten dabei beobachtet wird … ab dann wurde es mir zu „kraus“.

 

„er oder ich“ lautet die Devise einer hochgradig eifersüchtigen „Dame“ bei Claudia Rossbacher.

 

Tatjana Kruse hat „der reizblasenblues“ verfasst: Eine heftig am Reiz- blasensyndrom leidende Zughygienemanagerin findet auf der Toilette

„ihres“ ICE einen auf der Kloschüssel sitzenden Toten, ermordet mit einem Schweizermesser – gar nicht gut für die ohnehin schon geplagte Blase.

 

Nicht jeder europäische Magen-Darm-Trakt verträgt marokkanisches Essen, wie wir in Jobst Schlennstedt's „tajine fatale“ erfahren.

 

„vaters letztes geschäft“ (Petra Plaum) ist das tödliche Ergebnis von Handwerker-Pfusch und gibt der Witwe endlich die Gelegenheit, eine lange herbeigesehnte Reise anzutreten.

 

Nina George schildert, wie „ein echter scheißtag“ mit einer wahren Tortur in einem japanischen Hightech-Klo endet.

 

„nicht heute“ schreit Elvira in der Nacht zu ihrem 30. Hochzeitstag im Traum. Sie will ihn zu einem unvergesslichen Tag machen und muss nur noch das Geschenk für ihren Mann Ludwig beim Juwelier abholen. Autorin Angela Eßer jedoch hat eigene Pläne mit dem Paar …

 

Günter Gerlach und Ula Michalowska machen gemeinsame Sache: Sie treiben den Bewohner eines Mietshauses durch „klopfen auf dem klo“ in den Wahnsinn.

 

In „defekt“ von Carola Clasen spielt das WC der Autobahnraststätte Peppenhoven eine zentrale Rolle bei der Entscheidung zweier Frauen um einen Mann.

 

In der letzten Nach einer Exkursion in den Wilden Westen – eben dort „wo der kojote heult“ – wacht der Deutsche Erich sturzbetrunken in der Ecke eines 6-sitzigen Plumpsklos auf – aber er ist nicht alleine. Autor dieses Krimis ist Jürgen Ehlers.

 

Mathilde Varnhagen teilt sich mit Frau von der Waffel ein Krankenhaus- zimmer. Diese vermiest ihr den Aufenthalt allerdings gehörig, vor allem, weil sie die Zimmertoilette für sich allein beansprucht und auch noch droht „betritt ein andrer diesen ort ...“. Schaurig-schön von Regine Kölpin erzählt.

 

„cave canem“ („Hüte dich vor dem Hund“) warnt Karola Hagemann: Die verwitwete Titia betreibt im alten Rom eine Taverne. Das Aushängeschild und ihr ganzer Stolz ist eine Latrine. Die Vertiefung neben dem Wasser- becken ist dank Hund Paris eine wahre Goldgrube.

 

• Eine Rentnergang findet, dass die Ausgrabungsstelle auf Brunos Grund- stück „ein guter platz“ für das Versteck ihrer Beute und mehr ist – von Ilka Stitz.

 

Richard Birkefeld erzählt, wie in den Toiletten einer Markthalle einem SEK-Mann „der goldene schuss“ gelingt – und das alles auch noch nach

der Devise „Die Polizei, Dein Freund und Helfer“.

 

• Das angeblich höchste Gut der Christenheit ist seit etwa 2000 Jahren ein tönerner Nachttopf, den die jüdische Familie, in deren Besitz er sich derzeit befindet, mit ihrem Leben schützt. Nun soll er vom letzten Überlebenden an einen ehrwürdigen Nachfolger weitergereicht werden. Das hat seinen Preis, wie Jutta Profijt in „das heilige Land“ schildert.

 

Anna Schneider, „auf schritt und tritt“: Siggi hat ohnehin schon einen Scheißtag hinter sich, und dann wird ihr auch noch aus der Kabine einer Kaufhaus-Toilette ihre Handtasche gestohlen – doch es kommt sogar noch schlimmer.

 

• Keiko hat einen wichtigen Computer-Animationspreis gewonnen und fliegt zur Verleihung von Japan nach Linz. Ein Trip führt ihn zu einem alten Wehr- turm, wo er ein Verbrechen beobachtet und in einen engen Raum flüchtet. Wie wird es mit „keikos preis“ (Autor: Edwin Haberfellner) enden?

 

• „ellas Traumreise“ verläuft wunderbar, bis Mit-Passagier Hugo Mach alles verdirbt; immer öfter muss sie auf die Toilette fliehen, um seiner Gesellschaft zu entkommen. Doch Ella will ihren Traum zurück. Wird Anke Gebert ihr dies gönnen?

 

• Der pensionierte Kripomann Ziegler wohnt in einem Haus, das einst Tatort eines Verbrechens war: Der Fall „Plumpsklo mit Leiche“ wurde damals je- doch nie aufgeklärt – Grund genug für die illustre Herrenrunde im Haus des Ex-Polizisten, die Gedanken schweifen und „eifel-zweifel“ aufkommen zu lassen. Geschrieben wurde dieser Text von Gisbert Haefs.

 

Barbara Krohn ist „kein wässerchen trüben“ zu verdanken: Hundertwasser schenkte einst dem neuseeländischen Ort Kawakawa eine öffentliche Toi- lette, die zur Touristen-Attraktion avancierte. Und genau hier lauert eine Frau ihrem untreuen Ex-Lover auf – doch sie ist nicht alleine.

 

• „saint-tropez mit hindernissen“ lautet das unfreiwillige Motto für die beiden streikenden Angestellten einer maroden Cateringfirma. Denn bald sitzen sie ebenso in der Scheiße wie ihr Chef – bildlich oder real, tot oder lebendig, wie Britt Reißmann sehr anschaulich rüberbringt.

 

• Bert ist in dem Krimi von Peter Godazgar „der blättersammler“, der seine neue Freundin Madeleine wegen 2 Blättern Klopapier tötet.

 

Petra Busch's Glubschi und Brummer treiben es leidenschaftlich auf Klos diverser Häuser, zu denen sie sich Zutritt verschaffen – bis sie in einer Luxusvilla den ultimativen Lokus entdecken mit der „klobalisierten welt“ an den Wänden.

 

• Der Titel von Uta-Maria Heim's Beitrag lautet „la 00 – bitte kommen“. Mit „LA 00“ ist die unter Denkmalschutz stehende historische Notdurftanlage in der Baden-Badener Lichtentaler Allee gemeint, wo eine alte Frau einen Toten findet und telefonisch die Polizei anfordert.

 

• In Oliver Buslau's „der ruf des schweigens“ geht es um die Pianistin Vera, die durch den Kunstfehler eines Arztes taub geworden ist. Auf der Toilette des alten Bahnhofs Rolandseck bei Nonnenwerth will sie Rache nehmen.

 

Ulrike Bliefert hat „geständnis bezüglich gewisser vorkommnisse“ geschrieben und bezieht sich damit auf einen Vorfall, der sich 1951 auf einem Bauernhof in einem kleinen Ort an der Nordseeküste ereignete. Auf dem zweisitzigen Plumpsklo beschließen zwei Kinder, dass das „Flittchen“, das der Onkel und Hofeigentümer aus Berlin mitgebracht hat, weg muss.

 

Klaus Stickelbroeck: „dreckig“ ist das Klo einer heruntergekommenen Kneipe, wo auf Richie ein neuer Pass samt Flugticket und etwas Geld warten. „dreckig“ findet er aber auch die Art der Polizei, ihn reinzulegen.

 

• Bei Silvija Hinzmann wird eine Frau in einer öffentlichen Wiener Jugenstil-Toilette Zeugin der Auseinandersetzung zweier Ganoven. Und anschließend stößt sie dort nicht nur auf die Leiche des einen, sondern findet auch eine Tüte mit Diebesgut - „ach, wien ...“.

 

• „lange schläuche“ sind Bestandteil des Krimis von Beatrix Kramlowsky: Habib ist Student an der Universität von Isfahan und hat als Spitzel der iranischen Mullahs besonders auf Kommilitoninnen, die sich mit verbotener Lyrik beschäftigen, und deren österreichische Gastlehrerin ein Auge. Auf

der primitiven Uni-Toilette stellen ihm die Frauen eine Falle.

 

• „der totale überblick“ über Garnschröders Grundstück bietet sich seinem Nachbarn von dem dort erhöht stehenden Herz-Klohäuschen. Doch die Beobachtungsaktion führt zu einer schockierenden Erkenntnis. Ralf Kramp ist der Urheber dieser nachbarschaftlichen Querele.

 

• „Manchmal mussten die Bedürfnisse (…) der Lebenden höher veranschlagt werden als die Ruhe der Toten“ beschließt Marthe, als sie nicht anders kann, als ihren Darm auf einem Friedhof zu entleeren. Zeitgleich erfolgt dort der „tod eines möchtegerndichters“ - von Regula Venske.

 

• Auf dem Damenklo des „Goldenen Hirschen“ ringt Ariane, die gerade den eigentlich ungeliebten Lorenz geheiratet hat, mit ihrem voluminösen Braut- kleid … während gleichzeitig der betrunkene Angetraute die Hochzeitsnacht vorziehen will. Das kann nicht gutgehen, findet auch Susanne Mischke.

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Kommentare: 4
  • #1

    Britt Reißmann (Mittwoch, 09 Oktober 2013 09:12)

    Selten findet man Rezensionen einer Anthologie, die auf jede einzelne Geschichte eingehen - schon gar nicht, wenn es 42 davon im Buch gibt. Vielen Dank für die Mühe!

  • #2

    Rike Stienen (Montag, 21 Oktober 2013 16:32)

    Da schließe ich mich Britts Lob gleich einmal an. Ich habe so eine ausführliche Rezension zu einer Anthologie auch noch nie zuvor gelesen. Toll :-)

  • #3

    Silvija Hinzmann (Dienstag, 22 Oktober 2013 13:33)

    Vielen Dank für die Kurzbeschreibungen der Geschichen!

  • #4

    A. T. (Dienstag, 08 April 2014 09:14)

    Petra Busch, die Herausgeberin, hat einen Gruß ins Gästebuch geschrieben (# 47).