... dat frett he nich“
(hochdeutsch: Was der Bauer nicht kennt, das isst er nicht)
oder: Ab und zu mal „in den Spiegel schauen"
Es ist oft sehr lehrreich, und manchmal auch ausgesprochen amüsant, wenn das eigene Verhalten gespiegelt wird – so geschehen neulich im Obst- und Gemüseladen unseres andalusischen Bergdorfes.
Zur Vorgeschichte:
Sehe ich in besagtem Geschäft ein in meinen Augen exotisches Angebot zum ersten Mal, beäuge ich es zunächst neugierig, nehme es auch gerne mal zwecks näherer Erforschung in die Hand, drehe es dabei hin und her (nein, drücken tue ich nicht!!!) – alles noch ganz ergebnisoffen.
Schließlich folgt mein persönliches WWW an die Verkäuferin:
„Was ist das?“ „Wie schmeckt das?“ „Wie bereitet man das zu?“
Nach wortreicher Erläuterung, oft unter Einbeziehung eloquenter spanischer Kundinnen, kommt dann von mir allerdings häufig ein skeptisches „Ach nein, lieber nicht!“ - was nicht ausschließt, dass ich bei positivem Google-Ergebnis das nächste Mal doch „zuschlage“.
Die enttäuschte Verkäuferin reagiert darauf in der Regel mit einem eindring- lichen letzten Versuch: „Das schmeckt aber sehr gut!!“ und noch einmal unter heftigem Nicken der anderen Kundinnen: „Ja,wirklich, Señora, das ist sehr gut!“
Und an genau dem Punkt, genau da, muss ich mir immer bös auf die Zunge beißen, um nicht etwas zu entgegnen wie „ Aber Señora, das ist ja nun Geschmackssache; was Ihnen gut schmeckt, muss mir noch lange nicht gefallen ...“ usw. usw.
Und nun neulich dieses Szenario:
Es gab Kohlrabi!! Eine Sensation! Sowohl für mich, die nach jahrelanger Abstinenz gleich ordentlich bunkerte, aber auch für die 5 – 7 Spanierinnen, die nacheinander den Laden betraten.
In nur minimalen Variationen, die vor allem die Intensität von Mimik und Gestik betrafen, spielte sich Folgendes ab:
Die Kundin stutzt ob des Anblicks der Kohlrabi-Kiste, begutachtet das Ge- müse zunächst aus sicherer Distanz, nähert sich dann doch dem verdäch- tigen Objekt, hypnotisiert es höchst interessiert, zeigt schließlich mit dem Finger darauf (besser nicht in die Hand nehmen!) und fragt endlich die Verkäuferin: „Was ist denn DAS????“
Jene, sonst ausgesprochen eloquent, verzieht das Gesicht zu einer Muss- man-zwar-nicht-kennen-aber-wenn-du's-unbedingt-wissen-willst-Miene und stößt in Lichtgeschwindigkeit „Kohlrabi“ hervor (das Wort nur nicht länger in den Mund nehmen als nötig!).
Kundin: „Wie?“
Verkäuferin nochmals: „Kohlrabi“
Die Kundin macht eine wegwerfende Handbewegung, wirft einen abschlie- ßenden Aus-uns-wird-nichts-Blick auf das Gemüse, verbalisiert in Richtung Verkäuferin:
„Ach nein, lieber nicht!“ und schlendert zum nächsten Angebot.
Und hier, genau an diesem Punkt, musste ich eine virtuose Vollbremsung meiner Sprachwerkzeuge hinlegen, denn um Haaresbreite wäre es mir entfleucht: „Aber die schmecken richtig guuuut!“ Und auch das Nachlegen von: „Wirklich, die müssen Sie echt mal probieren!“ wollte sich schon Bahn brechen.
Puh, gerade noch mal gutgegangen, denn vor mein inneres Auge hatte sich gerade noch rechtzeitig mein eigenes Bild in der gleichen Situation ge- schoben, versehen mit einer überdimensionalen Gedankenblase folgenden Inhalts: „ Aber Señora, das ist ja nun Geschmackssache; was Ihnen gut schmeckt, muss mir noch lange nicht gefallen ...“
Manchmal führt es wirklich zu verblüffenden Erkenntnissen, wenn man die gleiche Situation mit vertauschten Rollen erlebt …. UND REFLEKTIERT,
incl. der gedanklichen Reaktionen.
Rike Stienen (Dienstag, 10 Januar 2017 11:17)
Diesen besagten Satz von Dir in der Überschrift kenne ich auch aus meiner alten Heimat (NRW). Meine Mutter kochte häufig Rübstiel in verschiedenen Variationen, die ich alle gerne aß. Folglich wollte ich ihre Gerichte beibehalten, als ich nach Bayern zog. Die Suche nach Rübstiel in den Supermärkten war allerdings ergebnislos. Komisch, dachte ich, denn auf den Feldern hatte ich dieses Gemüse gesehen. Wieso konnte man es nirgendwo kaufen? Schließlich fragte ich einen Bauern, der mich aufklärte: "Das fressen bei uns nur die Viecher."