der Kunde aber auch!
Einige Kunden sind Könige, andere Fußvolk
Der Leser kennt ihn bereits aus dem 1. Teil: Andrew, unseren hiesigen Friseur – das heißt, mittlerweile muss es heißen: unseren hiesigen EX- Friseur.
Denn wir haben uns, ja wir haben uns tatsächlich getrennt – und ich
glaube, obwohl es nicht offen thematisiert wurde, sogar im gegenseitigen Einvernehmen.
Scheidungsgrund: Mangelnde Zuwendung und Lieblosigkeit bis hin zur Abweisung.
Andrew hatte schon immer die ein klitzekleines bisschen nervige Angewohn- heit, sämtliche Passanten, die während der Waschen-Schneiden-Föhnen-Prozedur an seinem in einer kleinen Gasse gelegenen Laden vorbeigehen, zu grüßen.
Das bedeutet: Alle naslang unterbrechen der Tätigkeit, also *die Hand mit Schere, Kamm, Bürste, Föhn oder was auch immer 3 – 5 Sekunden zum Gruße erheben, ebenso lange grinsen (ein Adjektiv spare ich mir hier mal), je nach Fußgängerdichte mehr oder weniger lange (meist weniger!) weiter- machen, Wiederholung ab *.
Um der Wahrheit die Ehre zu geben, ist zu sagen, dass sich dieser Kontakt- Sport im Laufe der Zeit aus irgendeinem Grund auf fast ausschließlich Spanier reduzierte. Trotzdem! Als ich einmal nicht nur innerlich die Augen verdrehte, meinte Andrew erklärend: „Sorry, you have to do this when running a business here!“ Kann man wohl drüber diskutieren, unter Berück- sichtigung des Mottos: „But you needn't do this while serving a client!“
Dass er prompt mitten in der Bewegung stoppt, zur Tür rennt und – vor allem spanische, aber auch einige englische – Kunden herzlichst begrüßt und erst einmal small-talked, während der deutsche „Patient“ sich auf dem Stuhl mit nassen Haaren einen abbibbert, das mag Servilität, gepaart mit Gedanken- losigkeit sein. Stört aber und reduziert das Wohlfühlen, das sich bei mir auf dem Frisierstuhl sowieso nie so recht einstellen will, gar in den Minusbereich.
Dass die sich verabschiedende englische Kundin im Gegensatz zu uns einen Preisnachlass erhält, mag einem auf die ganze Nation erweiterten „Familie hält zusammen“ in Zeiten von „la crisis“ geschuldet sein.
Neulich nun aber das:
Ich möchte für meinen Mann einen Termin ausmachen, entere also den Salon, in dem der Meister gerade eine Engländerin bedient. Beim „Hi, Annette! How are you?“ schaut er mich nicht an – muss er ja auch nicht, ist ja eh nur rhetorisch gemeint. Tja, und dann schneidet er weiter, lässt auch mal die Schere sinken, um seinem Monolog mehr Eindringlichkeit zu ver- leihen, schneidet weiter und ich stehe da, räuspere mich vernehmlich, stehe weiter da. Schließlich schaue mal in den Spiegel, um mich zu vergewissern, dass ich mich nicht zwischenzeitlich in die Luft aufgelöst habe, als die ich be- handelt werde. Erst als ich drohe (?), unverrichteter Dinge wieder zu gehen, bemüßigt Andrew sich, nach meinem Begehr zu fragen.
Der von mir vorgeschlagene Termin für den nächsten Tag ist „ absolutely perfect“.
Mein Mann macht sich einen Tag später sehr zeitig auf den Weg, um vorher noch einiges im Ort zu erledigen … da erhält er die SMS, dass Andrew ihm leider heute die Haare nicht schneiden kann (ohne Begründung), er möge einen neuen Termin vereinbaren!
Das war der Punkt, wo meinem Mann – einem Ausbund an Geduld!! - der Kragen geplatzt ist.
Wie das Schicksal es so wollte, hatte just an dem Tag ein anderer Salon (übrigens auch unter englischer Leitung*) in unserem Ort eröffnet, wo er mit „Kusshand“ als neuer Kunde willkommen geheißen wurde. Und ich bin nun auch schon gespannt, was mich demnächst dort erwartet!
* Ja, es gibt auch spanische Friseure hier. Allerdings sind das offenbar alles verhinderte Toreros: Mal eben die Spitze der Schere ins Ohr gestochen, den heißen Föhn auf den Kopf gehauen, mit dem Kamm auf der Kopfhaut lang- geschabt - alles gerne mehrfach! Das halten meine Nerven nicht aus!
Kommentar schreiben
A.T. (Mittwoch, 21 September 2016 11:21)
Nachtrag vom 21.09.2016:
In dem mittlerweile gut etablierten "neuen" Salon sind wir nun bereits seit ca. 3 Jahren Kunden - und sehr zufrieden, was Umgang, Service Preis-Leistungs-Verhältnis und Frisur-Ergebnis anbelangt.