Wie viele Spanier, besonders Handwerker, den Eigentumsbegriff für sich auslegen, darüber habe ich in Teil 1 geschrieben.
Ein ganz spezieller Fall ist unser Nachbar, Olivenbauer H., der regelmäßig zur Ernte im November / Dezember erscheint: Von Jahr zu Jahr glaubte er immer mehr über unser Grundstück, unsere Zeit und Arbeitskraft sowie schließlich unser Geld verfügen zu können. Dabei begann alles mit einem selbstverständlichen Gefallen.
Als wir ihn kennenlernten, klagte er, dass der Zugang zu seinem Grund- stück von der Straße aus über einen Abhang ja recht mühsam sei und er auch Probleme mit der Hüfte habe. Er fragte, ob er wohl auf unserem Hof parken und von hier dann „ebenerdig“ zu sich rübergehen dürfe.
Das Problem sehend, gestatteten wir es ihm – nicht im Entferntesten ahnend, auf was wir uns da einließen.
Schnell bekamen wir allerdings einen ersten Eindruck:
H.'s Oliven-Ernte dauert immer 2 – 3 Wochen, das heißt, er war im Regelfall von 8 Uhr morgens bis 18 Uhr abends anwesend. In dieser Zeit musste er jedes Mal, wenn er ein volles Behältnis zum Auto brachte, etwas trinken bzw. essen oder telefonieren wollte an unserer gesamten Fensterfront vorbei- gehen: Es war bei uns unter der Pinie, wo er parkte, viel kühler als im Olivenhain und der Netz-Empfang auf unserem Hof einfach besser.
Dabei zog er sich auf einem schmalen Plattenweg an den Fenstergittern weiter, lugte zu uns hinein und schaute sich interessiert auf dem gesamten Grundstück um. War ihm etwas aufgefallen, was wir seiner Meinung nach unbedingt ändern mussten – und das war eine Menge – beorderte er uns zu sich; stimmten wir nicht zu, reagierte er pampig.
Nach Beendigung der Oliven-Ernte waren wir geschafft – aber er würde ja erst in 1 Jahr wiederkommen.
Weit gefehlt! Als wir nach dreimonatiger Abwesenheit wieder nach Spanien kamen, berichteten uns Bekannte, dass der Olivero sich erbost und wort- reich bei ihnen beklagt hätte: Wir hatten ihm durch das verriegelte Auffahrt-Tor den Zugang zu unserem Grundstück verwehrt. Nun musste er zum Be- schneiden der Bäume über den Hang an der Straße in seinen Hain steigen, was er offensichtlich als persönlichen Affront empfand.
Die nächste Oliven-Ernte stand an: Eines Tages, als wir vom Einkaufen kamen, stand H.'s Auto auf unserem Grundstück. Sein Verhalten während der folgenden Wochen war das aus dem Vorjahr bekannte.
Allerdings ächzte er nun ständig beim Vorwärtsziehen an den Fenstergittern und wenn einer von uns in Hörweite war: „No puedo, no puedo!“ - „Ich kann nicht, ich kann nicht!“
Zusätzlich belegte er Grundstück und uns immer mehr mit Beschlag: Zum Frühstück ließ er sich wie selbstverständlich auf unserer Terrasse nieder. Er forderte mich sogar auf, mich zwecks Unterhaltung zu ihm zu setzen – was so aussah, dass er in epischer Breite über sein Oliven-Bauer-Schicksal mono- logisierte. Mich mit irgendwelchen dringenden Tätigkeiten aus der Affäre zu ziehen, war schwierig.
Elmar sprach er an, er solle ihm beim Tragen der schweren Oliven-Säcke helfen, denn „no puedo, no puedo“. Mein Mann – zwar um seine Rücken- probleme wissend – mochte nicht ablehnen, musste aber nach dem 5. Sack aufgeben. Das wurde als Leistungsverweigerung betrachtet.
Ungefragt griff der Olivero eines Tages zu unserer in einem Unterstand lie- genden Baumschere und beschnitt unser Zitronen-Bäumchen. Die Schatten spendenden Zweige einer Pinie konnte ich nur durch sehr energisches Intervenieren vor seinem Zugriff bewahren.
Überflüssig zu sagen, dass er sich auch anderes Werkzeug „auslieh“ und an Material bediente.
Obwohl dies wieder sehr nervige Wochen für uns waren, mochten wir ihm den bequemen Zugang zu sich von uns aus jedoch (noch) nicht verweigern.
Jedoch kam es im nächsten Jahr zur Eskalation:
Eines Morgens nämlich erschien H. mit einem Marokkaner im Schlepptau. Ich dachte, er hätte sich Hilfe mitgebracht und beobachtete die Beiden zunächst vom Fenster aus … bis mir das Gebaren seltsam vorkam und ich rausging:
Da gab der Olivero dem „Moro“ (Maure), wie er ihn nannte, doch tatsächlich Anweisungen, was er auf unserem Grundstück alles zu erledigen habe – das war mitnichten wenig. Mit Handwerkzeug aus unserem Unterstand versorgte er ihn gerade. Zum Erschrecken des Marokkaners protestierte ich heftig und lautstark: Es sei ja wohl ein Unding, dass er ohne Absprache mit und Ein- willigung von uns einen Arbeiter anheuere und Aufträge erteile.
Aber der sei ganz billig, war die Antwort! Wenn er den ganzen Tag arbeite, würde das nur 60 € kosten. Und schließlich müsste dies und das und jenes bei uns gemacht werden. Wütend erklärte ich ihm unsere Sicht der Dinge – und dem Marokkaner, der ja nichts dafür konnte, den Sachverhalt, den er zwar sichtbar enttäuscht, aber mit „no problema“ akzeptierte.
Es wurde uns nun endgültig zu bunt! Andererseits sahen wir aber, dass H. wirklich Probleme mit der Hüfte hatte, und boten ihm daher an, seinen Wagen nach Beendigung der Arbeit auf unseren Hof zu holen, um ihn mit den schweren Oliven-Säcken beladen zu können. Das klappte nur an den ersten beiden Tagen, dann hatten wir die gleiche Situation wie gehabt, sodass wir ihm das Parken bei uns sowie das Betreten des Grundstücks ganz untersagten und das Auffahrt-Tor schlossen.
Jetzt parkt er immer auf einem anderen, tiefer gelegenen Nachbargrundstück und schleicht sich mit seinen beiden Hunden ganz unten quer über unser Campo in seinen Olivenhain. Da wir davon aber kaum etwas mitbekommen und er uns in Ruhe lässt, stört es uns nicht weiter und wir sehen der Oliven-Ernte entspannt entgegen.
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A.T. (Mittwoch, 21 September 2016 11:54)
Mittlerweile hat die Arbeit im Olivenhain ein jüngerer spanischer Bekannter von H. übernommen, von dessen Anwesenheit wir kaum etwas bemerken.
Alle Anlieger hatten vor einiger Zeit ein Schreiben vom Katasteramt bekommen, in dem wir gebeten wurden, unsere jeweiligen Grenzverläufe zu bestätigen oder ggf. Einwände zu erheben.
Als ich eines Morgens gerade mit dem Quad das Grundstück verlassen wollte, stand er plötzlich wie aus dem Erdboden gestampft vor mir und schrie mich an:
Wie wir dazu kämen, die Grenze zu beanstanden und ihn zu verklagen.
Er war derartig aufgebracht, dass ich nicht die geringste Chance hatte, ihm zu erklären, dass das überhaupt nicht stimmt, sondern er höchstwahrscheinlich das gleiche Schreiben wie wir alle erhalten habe.
Als er wutschnaubend mit Fäusten auf mich losging, blieb mir nur die Flucht mit dem Quad!
A. T. (Dienstag, 10 Januar 2017 10:45)
Der in Kommentar #1 erwähnte "neue" Olivenbauer fragte letzten Monat während der Ernte sehr höflich, ob er wohl nach getaner Arbeit nur zum Beladen des Wagens mit den schweren Säcken auf unser Grundstück fahren dürfe.
Wir stimmten zu, und das Reglement war während der nächsten Tage - der Zeit der Ernte - für beide Seiten einvernehmlich und sehr erfreulich.