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Elmar Traks

Elmar Traks

Arzt 3: Beobachtungen bei spanischen Ärzten

Auch im "Ruhe"-Stand im (nicht immer) sonnigen Süden lassen sich Arzt- und manchmal sogar Krankenhausbesuche leider nicht vermeiden.

In den fast 10 Jahren, die wir nun schon permanent an der Costa del Sol leben, haben wir viel über das spanische Gesundheitswesen und den Umgang mit einheimischen Ärzten gelernt. Ersteres möchte ich an dieser Stelle nicht näher erläutern, sondern mich ausschließlich der Gattung der spanischen Medicos widmen. Denn sie weisen im Vergleich zu ihren deutschen Kollegen einige nicht zu ignorierende Merkmale auf, die man im Kontakt tunlichst berücksichtigen sollte ... wenn man nicht unbedingt auf Kollisionskurs gehen möchte.


Dem Folgenden liegen unsere Erfahrungen und Beobachtungen zugrunde, die wir im Laufe der Jahre als Privatpatienten an der Costa del Sol mit spanischen Ärzten gemacht haben.


Ausgesprochen positiv ist es, dass sie sich für ihre Patienten in der Regel viel Zeit nehmen, die jeweilige medizinische Situation inklusive Therapie ausführlich, ruhig und verständlich erläutern, gerne unter Anfertigung von veranschaulichenden Skizzen. Dabei bemühen sie sich sehr, mögliche Sprachprobleme auszuschalten, sprechen oft sogar recht passabel Englisch.


Auch die menschliche Seite findet bei Konsultationen Berücksichtigung und gibt dem Kranken und seinen begleitenden Angehörigen ein Gefühl ehrlicher Fürsorge und emotionaler Geborgenheit.

Lassen sich einmal eine Operation und ein stationärer Aufenthalt nicht ver-meiden, so haben wir erlebt, dass sich diese medizinische und menschliche Betreuung im Krankenhaus fortsetzt:

Nicht nur der Arzt, sondern auch Schwestern und Pfleger nehmen sich trotz knapper Personaldecke Zeit für den Kranken und seine Begleitung, sind stets ausgesprochen freundlich, hilfsbereit und zeigen viel menschliche Wärme.

Sogar die Zimmer tragen dieser "Willkommenskultur" Rechnung:

Sie sind mit einem für den Patienten gedachten bequemen Relaxsessel und einer Couch für Besucher ausgestattet.


Kann man sich an diese ausgesprochen positiven Unterschiede zu deutschen Verhältnissen sehr schnell gewöhnen, so war die Kehrseite

der Medaille für uns ziemlich gewöhnungsbedürftig:

Der spanische Arzt fühlt sich - je nach Mentalität - nicht nur als Halb-, sondern oft sogar als "Dreiviertelgott in Weiß" - und wird von seinen Landsleuten auch vorbehaltlos als solcher respektiert und geachtet.


Das Autoritätsgefälle zwischen Arzt und Patient zeigt sich bereits in der Anrede: Während der Mediziner den Kranken in der Regel mit dem Vornamen anredet, käme der ihn Konsultierende entsprechend der Konvention nie auf die Idee, dies bei seinem Gegenüber ebenfalls zu tun.


Eine Begleiterscheinung dieser stabilen Hierarchie ist konsequenterweise, dass dem spanischen Arzt ein "mündiger Patient", der Arztaussagen kritisch hinterfragt, sich nach Alternativen erkundigt, eigene Vorschläge unterbreitet, seinen Körper betreffende Maßnahmen gerne mitentscheiden möchte usw. absolut fremd ist.

Mehr noch: Er kann damit meist überhaupt nicht umgehen, fühlt sich ob dieser vermeintlichen Respektlosigkeit brüskiert, in seiner Autorität ange-griffen und schaltet auf Abwehr oder gar Aggression - "doc almighty".


Stellvertretend seien ein paar sehr bezeichnende Beispiele ausgeführt:


Bereits in Deutschland war ich wegen eines gesundheitlichen Problems

jahrzehntelang in einer Fachklinik behandelt worden. Da sich der Zustand nach einigen Jahren hier in Andalusien wieder verschlechterte, konsultierte ich einen spanischen Spezialisten. Dieser studierte gründ-lich die ins Spanische übersetzten Vorbefunde, hinterfragte viel, deutete gelegentlich auch Zweifel an der Richtigkeit der in der Vergangenheit erfolgten Therapie an.

Nach eingehender Untersuchung sah er mit Blick auf die aktuelle medi-zinische Situation nur den Ausweg einer Operation. Er erläuterte mir unter Zuhilfenahme eines Modells ausführlich das Verfahren - von irgendwelchen Risiken war allerdings nicht die Rede.

Diese wagte ich dann zu erfragen, da ich mich selbst bereits mit dem Gedanken an diesen - insbesondere bei meiner Vorgeschichte - nicht unproblematischen Eingriff befasst hatte.

Die Antwort war, dass es keine Risiken gäbe, schließlich sei ich ja bei einem Spezialisten.

Zu seinem Leidweisen mochte ich mich nicht sofort an Ort und Stelle zu der OP entscheiden.

Vielmehr bat ich ihn um einen Arztbrief über den von ihm gestellten Befund und seinen Therapie-Vorschlag. Diesen wollte ich gerne dem Arzt, der mich in Deutschland 15 Jahre lang erfolgreich behandelt hatte, mit der Bitte um Stellungnahme zusenden. Im Falle eines positiven Feedbacks würde ich zeitnah einen OP-Termin mit dem hiesigen Spezialisten vereinbaren.

Dass der Spanier von meiner Vorgehensweise nicht begeistert sein würde, damit hatte ich schon gerechnet, nicht jedoch mit dieser harschen Reaktion:

Er warf mir fehlendes Vertrauen vor und lehnte die Behandlung unter dieser Voraussetzung kategorisch ab.


Ein anderer Mediziner verordnete mir einmal hochdosiertes Kortison in

Tablettenform. Ich wandte ein, dass ich dies nur einnehmen könne, wenn bestimmte Nebenwirkungen 100%-ig ausgeschlossen werden könnten, da diese bei mir katastrophale Folgen hätten. Lieber wären mir z. B. Injektionen, die würde ich im Allgemeinen besser vertragen.

Oha! Ich wagte es, 1. seine Verordnung zu hinterfragen und 2. einen Gegenvorschlag zu machen! Welch eine Anmaßung!

Er reagierte aggressiv:

Von diesen Nebenwirkungen habe er ja noch nie gehört! Wo ich das denn herhabe? Ob ich nun meine Beschwerden loswerden wolle oder nicht!? Ich müsse ihm und seiner Erfahrung schon vertrauen und solle die Tabletten mal nach Anweisung einnehmen; in einer knappen Woche sei ich die Schmerzen los!

Ich fügte ich mich wegen der Dringlichkeit und mangels Arzt-Alternative mit einem unguten Gefühl und war die akuten Symptome tatsächlich in wenigen Tagen los ... hatte dafür allerdings haargenau die befürchteten anderen Probleme ... die aber auf gar keinen Fall von den Tabletten kommen konnten, wie der Medico selbstsicher beteuerte. - Vielleicht lediglich ein Beispiel für "self fulfilling prophecy"?


Ein Internist empfahl meinem Mann zur Vorbeugung von Venenerkran-

kungen regelmäßig Aspirin einzunehmen. Wir merkten vorsichtig an, dass nach unserem Kenntnisstand Aspirin zwar bei arteriellen Leiden sehr hilfreich sei, nicht jedoch bei venösen.

Der Arzt stutzte, überlegte erkennbar kurz und verwies dann schnell

auf neuere Studien - deren Quelle ihm allerdings unwiederbringlich entfallen war!


Terminvereinbarungen - besonders für umfangreichere Untersuchungen -

sind auch eine Sache, bei der dem betroffenen Patienten ungerne ein Mitspracherecht eingeräumt wird: Wenn es dem Arzt passt, hat man ungeachtet eigener Vorhaben und Verpflichtungen zum genannten Datum bereit zu sein.

Geht das wirklich einmal gar nicht, dann wird mindestens gegrummelt, aber auch gerne Druck ausgeübt: Das "Spiel" mit Angst und Verunsicherung wird bemüht - man wolle doch keine Risiken eingehen und nichts versäumen.

Wohlgemerkt: Wir reden hier über einen Zeitraum von maximal ein paar wenigen Wochen in keinem akuten Fall.


Selbstverständlich könnten sich die genannten Beispiele so ähnlich auch in deutschen Praxen zutragen. Dort sind sie nach unserer Erfahrung jedoch eher die Ausnahme, hier hingegen die Regel.


Merke:

Unterlasse im Interesses eines guten Arzt-Patienten-Verhältnisses alles, von dem der Medico auch nur im Entferntesten annehmen könnte, Du zweifeltest an seiner Autorität, seinem medizinischen Können und seiner Erfahrung.

Das heißt, stelle weder Diagnose noch Therapie offen in Frage, zeige keine Zweifel an der Richtigkeit seiner Ausführungen - auch, wenn Du sie hast.


Das fällt uns zugegebenermaßen sehr schwer: Wir sehen im Arzt-Patienten-Verhältnis keine Hierarchie, sondern den Mediziner zwar als Experten, der über ein breites Spezialwissen verfügt, uns jedoch als mündige Gesprächs-partner akzeptiert. Ich denke, hier mangelt es den meisten spanischen Ärzten an der nötigen Souveränität bei gleichzeitigem Vorhandensein eines überdimensionierten Autoritätsanspruchs oder Standesdünkels.


Ohne sich selbst zu verleugnen, kommt man mit ein paar Tricks jedoch recht gut mit ihnen klar:

Lobe, sage möglichst viel Positives über die Praxis und den Arzt!

Möglichkeiten gibt es genug, sei es eine zeitnahe Terminvergabe, das ausführliche Gespräch mit den wertvollen und verständlichen Informationen, die Zeit, die sich der Mediziner genommen hat u.v.a.m.

Wenn bei Nachuntersuchungen alles ohne Befund ist, dann kann man den hervorragenden Job loben, den er gemacht hat.

Braucht man Bedenk- oder gar eine Auszeit, will Zeit gewinnen, dann sollte

man dies nicht auf den Arzt schieben, sondern sich selbst als Grund nennen: Man möchte die vielen Infos erst einmal in Ruhe verarbeiten, mit der Familie (sie nimmt bei Spaniern eine sehr hohe Stellung ein!) besprechen, die eigene zur Zeit schwierige Terminlage klären und meldet sich sobald wie möglich. Ob man das auch tatsächlich vorhat, ist nebensächlich - der Arzt konnte sein Gesicht wahren und man selbst hat sein Ziel erreicht ... eine Win-Win-Situation.


Kann man irgendetwas ganz und gar nicht zustimmen, nur nicht die eigene

Ansicht mit der des Arztes auf eine Stufe stellen, sondern sie besser in Frageform packen, also seine Experten-Meinung erbitten. "Was halten Sie

von ...?" "Denken Sie, dass ... auch eine Möglichkeit wäre?"

Oder sich auf Quellen, Autoritäten berufen: "Ich habe gelesen / gehört ... , dass ...!"

Auch hier gilt: Der Arzt muss sich als Autorität anerkannt fühlen und immer

das Gesicht wahren können.


Da spanische Ärzte vor allem ihre Landsleute behandeln, wird sich an ihrem Rollen- und Berufsverständnis vermutlich so schnell nichts ändern und noch eine ganze Zeit dauern, bis sie erkennen, dass die Ausländer ihnen nichts Böses wollen, sondern sie ein gemeinsames Ziel verfolgen: Die optimale Behandlung des Patienten.


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Kommentare: 2
  • #1

    Wolfgang S. (Dienstag, 22 Dezember 2015 17:48)

    Hallo Annette, vielen Dank für den aufschlussreichen Beitrag. Es gibt ja glücklicherweise an der Costa del Sol auch etliche deutsche (Fach-)Ärzte! Was allerdings auch keine Garantie dafür ist, dass der konsultierte Arzt mit einem mündigen Patienten umgehen kann, schon gar nicht, wenn er - wie ich - mit seiner Ehefrau für die deutsche Heilpraktiker-Prüfung gepaukt hat, die immerhin das medizinische Fachwissen eines angehenden Arztes für die 1. ärztliche Prüfung (Physikum) voraussetzt, insbesondere in der Diffenenzialdiagnostik, aber auch Anatomie, Physiologie, Physiognomie, Pathologie, Pharmazie usw. usw.! Ein Arzt hat es mit einem so vorgebildeten Patienten natürlich besonders schwer. Der hinterfragt ja einfach alles!

    Bei dringend erforderlichem Krankenhausaufenthalt (Notfall) fügt man sich hier halt in sein Schicksal (mitlerweile sollen ja Dolmetscher in den Kliniken vorhanden sein - ich spreche die spanische Sprache noch nicht so gut). Mit dem Krankenwagen wird man sowieso in das nächste öffentliche Krankenhaus gefahren und dort behandelt, egal, wie man versichert ist.

    Bei planbaren Krankenhausaufenthalten würde ich nach Deutschland fliegen, es sei denn, es ist eine Organtransplantantion erforderlich. Ein passendes Organ soll ja hier schneller verfügbar sein als in Alemania - warum auch immer. Aber das würde ich im Einzelfall natürlich vorher noch eruieren ;-)

  • #2

    A. T. (Dienstag, 22 Dezember 2015 18:38)

    Hallo, Wolfgang,

    vielen Dank für den Kommentar.

    Ein paar Anmerkungen dazu:

    1. Ja, es gibt deutsche Ärzte an der C.d. S. Die für uns in Frage kommenden haben ihre Stammpraxen in der Regel in Málaga oder Marbella, wo auch erforderliche umfangreichere Untersuchungen durchgeführt werden. Das ist dann für den Patienten mit Fahrerei verbunden. Einige kommen 1 x pro Woche zwecks Konsultation in die kleineren Küstenorte. - Alle Fachrichtungen sind dabei natürlich nicht abgedeckt, sodass man im Bedarfsfall an spanische Kollegen überwiesen wird.

    2. Fest angestellte Dolmetscher in den Krankenhäusern sind die große Ausnahme. Zum Teil gibt es ehrenamtliche, aber darüber hinaus Angebote von Übersetzern, die man gegen Bezahlung "mieten" kann.

    3. Wir haben in Bezug auf die medizinische Versorgung mit 2 spanischen Krankenhäusern nur beste Erfahrungen gemacht, z. T. sogar bessere als in Deutschland.

    Die meisten spanischen Ärzte sprechen übrigens recht gut Englisch, das Pflegepersonal hat manchmal Grundkenntnisse.

    4. Natürlich wird man als Notfall ins nächstgelegene Krankenhaus gebracht. Als Privatpatient muss man sich (resp. die Angehörigen) dann aber darum kümmern, so schnell wie möglich in eine private Klinik verlegt zu werden.

    5. Zur Arzt-Patient-Kommunikation: siehe Blog-Beitrag.