Thriller
Der Londoner Ermittler Tom Thorne macht mit seiner
Freundin Helen Weeks, Polizeibeamtin im Dezernat für Kindesmisshandlungen, Urlaub in den Cotswolds. Da erfahren sie,
dass in dem kleinen Dorf Polesford, in dem Helen ihre Kindheit und Jugend verbrachte, zwei Mädchen vermisst werden. Der Familienvater Stephen Bates gerät in Verdacht, etwas mit deren Verschwinden zu tun zu haben und wird verhaftet.
Helen ist mit dessen Frau Linda zur Schule gegangen und kann Thorne überreden, den Urlaub sofort abzubrechen, um gemeinsam nach Polesford
zu fahren. Dort finden sie Unterkunft bei einer anderen Jugendfreundin.
Helen sucht sofort Linda auf, die von der Unschuld ihres Mannes überzeugt scheint. Sie und ihre Kinder leiden sehr unter dem medialen Interesse und den Vorurteilen der Dorfbewohner. Aber nicht nur Thorne fragt sich, warum seine Freundin unbedingt in ihr Heimatdorf zu ihrer ehemaligen Freundin wollte, obwohl schon lange gar keine Verbindung mehr dorthin bestand.
Er hingegen nimmt Kontakt zur Bevölkerung und zu den Ermittlern vor Ort auf. Im Gegensatz zu diesen glaubt er schon bald an die Unschuld von Stephen Bates. Seine Vermutung wird erhärtet, als die Leiche eines der vermissten Mädchen gefunden wird. Thorne bittet den befreundeten Londoner Patholo-gen Phil Hendricks um Hilfe.
Dabei bleiben die Fragen stets präsent, wo sich das zweite Mädchen befindet und ob es überhaupt noch lebt.
Resümee: Ein grundlegender Aspekt bei meiner Bewertung des Buches ist seine Vermarktung als Thriller. Dadurch wird per definitionem die Erwartung geweckt, dass während der gesamten Handlung eine gewisse Spannung aufrecht erhalten wird, immer wieder Spannungsbögen auf Höhepunkte zusteuern, Cliffhanger den Leser vorantreiben und er auf falsche Fährten gelockt wird.
Dies alles bietet "Zeit zum Sterben" jedoch nicht; bestenfalls handelt es sich hier mit Abstrichen um einen soliden Krimi.
Im Einzelnen:
Zwar fragt sich der Leser, ob Tom Thorne mit dem sich ihm rasch aufdrängen-den Verdacht richtig liegt, dass Stephen Bates nichts mit dem Verschwinden der beiden Mädchen und dem Tod des einen zu tun hat. Allerdings kann man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hiervon ausgehen, da die örtlichen Polizisten ziemlich negativ beschrieben werden, nämlich unbedarft und wenig engagiert. Sie stellen keine Konkurrenz für den smarten Ermittler aus London dar.
Solcherart will keine rechte Spannung aufkommen, obwohl die einzelnen gedanklichen Schritte zur Entwicklung seiner Theorie, deren jeweilige Überprüfung und die daraus resultierenden Ergebnisse zweifellos interessant sind - mehr aber auch nicht.
Eine Person wird so auffallend als potenzieller Entführer und Mörder aufgebaut, dass der Leser schon bald davon ausgehen kann, dass sie es ganz bestimmt nicht ist. Auf diese Fährte wird sich kaum jemand locken lassen.
Positiv ist hingegen, dass der wahre Täter zwar von Anfang an präsent ist, es rückblickend durchaus Hinweise auf ihn gegeben hat, er aber erst ganz am Schluss enttarnt wird.
Ein paar Perspektivwechsel, in denen der Täter, vor allem aber ein Opfer zu Wort kommen, könnten für Vielschichtigkeit und Spannung sorgen, wenn
man die meisten dieser Szenen so oder so ähnlich nicht schon in zahlreichen anderen Werken gelesen hätte. Kurz: Es wird Altbekanntes noch einmal aufgewärmt.
Sehr breiten Raum nehmen Beziehungen ein, vor allem die von Tom Thorne zu Helen Weeks, aber auch die von Helen zu ihren Jugendfreundinnen Linda und Paula. Die jeweilige Thematisierung ist zwar im Rahmen des Gesamt-geschehens wichtig, steht jedoch allzu sehr im Vordergrund.
Die ohnehin nur wenig spannende Krimihandlung wird dadurch viel zu oft unterbrochen und zieht sich wie Kaugummi in die Länge.
Ein Wort noch zur Sprache: Besonders bei den Dialogen war gelegentlich
nur schwer der Bezug zum vorher Gesagten zu erkennen. Oft wurde ein Gespräch auch sehr abrupt beendet, ohne dass noch eine zu erwartende Antwort der anderen Seite kam.
Die Frage, warum der sehr treffende englische Originaltitel "Time of Death" - Zeitpunkt des Todes - für die deutsche Ausgabe so geändert wurde, dass der Bezug zum Kernproblem der Handlung bzw. Ermittlung verloren geht, sei an die dafür Verantwortlichen adressiert.
Fazit: Ein wenig mehr Realitätssinn bei der Zuordnung zu einem Genre wäre
einer positiveren Beurteilung des Buches dienlich, denn es würde keine Erwartungshaltung entstehen, die dann durch die Handlung nicht erfüllt wird.
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