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Elmar Traks

Elmar Traks

Thiesler, Sabine - Der Menschenräuber (2010)

Roman

 

Jana, die gefeierte Primaballerina der Deutschen Oper in Berlin, und der erfolgreiche Fotograf und Medienmanager Jonathan führen eine glückliche Ehe. Als Jana ungewollt schwanger wird, ist es für sie keine leichte Entscheidung, Beruf und Karriere zugunsten des Kindes aufzugeben.

Doch Jonathan ist überglücklich! Vom ersten Tag an vergöttert er die kleine Giselle, die der Mittelpunkt seines Lebens wird.  

Schon als Kind zeichnet das Mädchen leidenschaftlich gerne und studiert nach dem Abitur Kunst - Fachleute sagen ihr eine große Karriere voraus.

 

Doch als Giselle 20 Jahre alt ist, wird sie an einer Fußgängerampel von einem heranrasenden Auto erfasst und erliegt ihren schweren Verletzungen. Der junge Fahrer des Wagens war stark betrunken, kommt aber in einem Prozess mit einer minimalen Strafe davon.

 

Für Jonathan ist mit dem Tod seiner Tochter eine Welt zusammengebrochen, sein Leben hat jeglichen Sinn verloren. Er wird zum Alkoholiker, verwahrlost völlig und verliert dadurch Beruf und Frau.

Total am Ende, steigt er eines Tages einfach wahllos in einen Zug und landet irgendwann in der Toskana - in der heruntergekommenen Pension von Riccardo und Amanda Valentini.

 

Schon beim ersten Anblick verliebt er sich in deren blinde Tochter Sofia, die das Ebenbild von Giselle ist. Beide heiraten, bauen das Anwesen der Valentinis zu einem ansprechenden Feriendomizil aus und beginnen ein neues, zufriedenes Leben.

 

Doch dann holt Jonathan eines Tages die Vergangenheit ein ...

 

 Resümee: Der Roman spielt während der Jahre 1977, 2001 und 2007 in Berlin, der Toskana und Buchholz in der Nordheide; im Mittelpunkt stehen nacheinander verschiedene Protagonisten. Sämtliche Ebenen sind durch bestimmte Ereignisse und Personen miteinander verbunden.

 

Dabei passt alles absolut zusammen und greift schlüssig ineinander, denn alle Protagonisten handeln ihrem Charakter entsprechend ausnahmslos folgerichtig und psychologisch nachvollziehbar.

Einige erleben eine Achterbahnfahrt der Gefühle, und auch der Leser ist einem Wechselbad der Emotionen ausgesetzt: Einerseits hat man viel Verständnis für bestimmte Einstellungen und Entscheidungen, versteht menschlich die Motivation, die hinter gewissen Handlungen steckt. Andererseits erschrecken oder verstören diese einen jedoch rational.

Besonders drastisch ist dies in Bezug auf Jonathan, den der Tod seiner Tochter psychisch extrem mitgenommen hat: Besonders seit er in der Toskana lebt, ist er auf der einen Seite liebe- und verständnisvoll, fürsorglich und liebenswürdig, im nächsten Moment aber kann er hemmungslos brutal und unberechenbar sein. Seine innere Zerrissenheit - der Wunsch nach Ruhe und Geborgenheit gegenüber dem Getriebensein von Rachegedanken - hat die Autorin hervorragend herausgearbeitet.

  

Dass das Buch "nur" als Roman vermarktet wird, ist ein Understatement - es dem Genre "Thriller" zuzuordnen, wäre diesem Pageturner voller Dramatik und Spannung durchaus angemessen gewesen. Aber vielleicht hat man sich dagegen entschieden, weil der Schwerpunkt auf der Entwicklung der psychologischen Dimension liegt und auch, weil Commissario Donato Neri zwar seine Auftritte bekommt, aber nicht ermitteln möchte - obwohl Ehefrau und Kollege ihm dringendst dazu raten.

 

Fazit: Dies ist für mich das bislang spannendste Buch von Sabine Thiesler.

 

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