Roman
Charles Rennie McIntosh, am 7. Juni 1868 in Glasgow geboren, nahm zu Beginn der 1890-er Jahre den Fehler eines Standesbeamten bei der 2. Heirat des Vaters zum Anlass, seinen
Nachnamen in Mackintosh zu ändern. Er meinte, diese Schreibweise wirke nicht so katholisch.
Schon in frühester Kindheit ist bei Charles eine Vorliebe fürs Zeichnen zu erkennen. Sein Vater ist Hauptkommissar bei der Polizei, in seiner Freizeit hält sich der leidenschaftliche Hobby-Gärtner am liebsten in der Natur auf. Sein Sohn begleitet ihn gerne, doch ist dessen Interesse an Pflanzen anderer Art: Er bringt sie voller Begeisterung zu Papier, ebenso wie Ornamente - vor allem die von Kirchen und Grabsteinen.
Für den Vater haben Disziplin und Arbeit einen hohen Stellenwert, und so ist er besorgt, was aus seinem Sohn, der sich nur fürs Zeichnen interessiert, werden soll. Wird er jemals auf eigenen Beinen stehen und eine Familie ernähren können?
Die Mutter hingegen rät Charles, auf Gott zu vertrauen. Er werde ihm den richtigen Weg weisen.
Tosh, wie er später genannt wird, will jedoch nur eins: Künstler werden. Ihm ist von Anfang an klar, dass er hart für den Erfolg arbeiten muss. Aber er ist willensstark, lernt in einem Architektenbüro und besucht eine Kunstgewerbeschule. Schon früh erhält er Auszeichnungen und ein Reisestipendium nach Italien. Er wird schließlich Architekt, Designer und Maler.
Die Maxime für sein Schaffen ist dabei immer folgende:
Traditionen muss man studieren, darf sie aber nicht nur kopieren, sondern muss sie stetig weiterentwickeln und neue Wege gehen, statt sklavisch Theorien, Dogmen und Konventionen anzuhaften.
So kümmert sich Mackintosh nicht darum, was andere denken und sagen, um Autoritäten schert er sich nicht. Er will eine Architektur und Kunst erschaffen, die von Charakter geprägt ist, Kompromisse kommen für ihn nicht in Frage.
Kein Wunder, dass seine Entwürfe oft abgelehnt werden mit der Begründung, sie seien zu modern und keinem Stil zuzuordnen. Er kämpft zwar gegen viele Widerstände, hat jedoch auch Freunde und Förderer, die unbeirrt zu ihm halten, allen voran seine spätere Ehefrau Margaret Macdonald und deren Schwester Francis mit ihrem Ehemann James Herbert McNair.
Er begeistert seine Anhänger mit einem neuen Design: Ihm fehlen fast vollständig dekorative Elemente und Schnörkel, es zeichnet sich durch überwiegend gerade Linien und rechte Winkel aus. Sehr bekannt sind z. B. die nach seinen Entwürfen gearbeiteten Stühle, die noch heute angefertigt werden.
Mackintoshs monumentalstes Werk jedoch ist die Glasgow School of Art, die nach seinen Plänen gebaut wird und als Skizze das Cover des vorliegenden Buches ziert.
Zunehmende wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen Mackintosh und seine Ehefrau schließlich an den Rand des Existenzminimums. Sind sie bereits 1914 nach England gezogen, so wandern sie später vor allem wegen der geringeren Lebenshaltungskosten in die Pyrenäen aus. Doch beider Gesundheit lässt zu wünschen übrig. Sie kehren nach London zurück, wo Charles Rennie Mackintosh am 10. Dezember 1928 an Zungenkrebs stirbt.
Resümee: Charles Rennie Mackintosh war "Architekt, hat die neue Glasgow School of Art gebaut, wunderbare Häuser und Möbel entworfen. Er ist in ganz Europa bekannt, seine Entwürfe haben Designer auf dem Kontinent beeinflusst. Er ist außerdem ein hervorragender Maler." (Seite 425). So beschreibt Margaret Macdonald Mackintosh ihren Ehemann kurz vor seinem Tod.
Heute jedoch droht der Künstler in Vergessenheit zu geraten. Dies möchte die Autorin Karen Grol mit ihrem biografischen Roman ändern, der pünktlich zum 150. Geburtstag Mackintoshs erschienen ist.
Das Werk gibt Zeugnis von einem charakterlich und künstlerisch beeindruckenden Menschen und ist das Ergebnis umfangreicher, akribischer Recherche.
In kursiv gedruckten Passagen ist z. B. der Schriftverkehr mit Freunden und anderen Kunstschaffenden abgedruckt, ebenso wie Zeitungsartikel sowie diverse andere Dokumente. Es mag zunächst verwundern, dass diese nicht im Original erscheinen, sondern in zeitgemäßem Druck und aktuell gültiger Rechtschreibung. Das liegt jedoch daran, dass die entsprechenden Quellen der Autorin - natürlich! - überwiegend auf Englisch vorgelegen haben, sie diese selbst übersetzt hat. Die wenigen vorhandenen deutschen Zeugnisse hat sie angepasst, damit sie nicht wie Fremdkörper wirken.
Mir persönlich fehlen in dem Buch Fotos - z.B. vom Künstler, seiner Familie, Freunden, Weggefährten -, aber auch veranschaulichende Skizzen, Entwürfe und Bilder fertiger Werke. Dies ist nach Aussage Karen Grols aber aus mehreren Gründen unterblieben:
So spielten u.a. die hohen Kosten für die Bildrechte eine Rolle - und damit letztlich auch der dann daraus resultierende Preis des Buches. Und sie möchte, dass die Bilder im Kopf des Lesers entstehen, auch, dass er neugierig wird und ggf. im Internet nach weiteren Informationen über das Künstler-Ehepaar sucht.
Das ist ihr zumindest bei mir gelungen.
Auch die Literaturangaben im Anhang bieten dem einen oder anderen evtl. Anreiz, sich noch weiter mit Charles Rennie Mackintosh zu beschäftigen.
Kunst-Sachverstand ist für die Lektüre dieses Buches zwar nützlich, für das Verstehen aber nicht notwendig.
Es tritt eine Fülle von Personen in dem Werk auf. Sehr hilfreich ist diesbezüglich das umfangreiche Glossar am Ende des Buches - so ist der Leser nicht überfordert.
Fazit: Der Leser spürt, dass in diesem lebhaft geschriebenen Werk viel
Herzblut der Autorin steckt, dass es ihr ein Anliegen ist, den Künstler und seine Ehefrau nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Kurz würde ich dieses Werk als bildende Unterhaltung bezeichnen.
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