Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald
Bayerischer-Wald-Krimi, Band 4
Kurz vor Ende einer ereignislosen Nachtschicht erhält Polizeihauptmeister Benedikt Simbacher von der Polizei-Inspektion Viechtach einen Anruf von Gottfried Hirschfeld. Der Gebrauchtwaren-Händler meldet, dass seine Frau Roswitha verschwunden ist.
Der Polizist ist überrascht: Obwohl Hirschfeld seit 12 Jahren in dem Ort lebt, hat kaum jemand von der Existenz einer Ehefrau gewusst, auch Simbacher nicht. Nie hat die fast vollständig gelähmte Roswitha ihr Zimmer im 1. Stock verlassen, geschweige denn das Haus. Nie hat sie Besuch bekommen, nur die Mitglieder eines Pflegedienstes haben sie regelmäßig medizinisch versorgt.
Nicht nur Gottfried Hirschfeld, sondern auch Benedikt Simbacher und seine Kollegen Polizeimeister Max Deffner, Kriminaloberkommissarin Sandra Falk und Polizeihauptmeisterin Lydia Hobmaier fragen sich, was passiert ist. Ist die Kranke entführt worden oder hat sie Hilfe gehabt und auf eigenen Wunsch heimlich das Haus verlassen? Oder spielt ihr Mann allen etwas vor?
Hilfe bekommt das Ermittlerteam nicht nur von Simbachers und Deffners Hunden, sondern auch von Kriminalhauptkommissarin und Sonderermittlerin Franziska Hausmann:
Auf Veranlassung des Oberstaatsanwalts aus Passau - einem Kunden des Gebrauchtwaren-Händlers - zieht sie in die Einliegerwohnung im Haus der Hirschfelds und gibt sich nach außen als Gottfrieds Schwester aus. Sie soll direkt vor Ort die Ereignisse beobachten und ggf. unmittelbar reagieren.
Bald müssen die Ermittler feststellen, dass dieser Fall noch verzwickter ist als anfangs vermutet, denn er ist mit vielen Einzelschicksalen verwoben, die nach und nach ans Tageslicht kommen.
Resümee: Anfangs fand ich das Buch sprachlich ziemlich gewöhnungsbedürftig, denn Benedikt Simbacher spricht (glücklicherweise als Einziger) durchgängig bayerischen Dialekt, zum Teil über längere Passagen. Das bremste zwar stets den Lesefluss, trägt aber wesentlich zur Authentizität der Handlung dieses Lokalkrimis bei.
Der Polizeihauptmeister ist es auch, der die Beziehungskonstellation des Viechtacher Teams definiert, die ein ständiges Spannungsfeld bietet:
Seine Kollegin Lydia Hobmaier, die erst seit 18 Monaten bei der Polizei-Inspektion arbeitet, findet er zu jung, zu ehrgeizig und zu humorlos.
Ganz anders sieht er Sandra Falk, mit der er einmal eine Beziehung hatte: Aufgrund ihrer großen Berufserfahrung nimmt sie vieles gelassen.
Mit Max Deffner kommt er recht gut zurecht, was wohl auch daran liegt, dass beide einen Hund haben: Cora und Burschi tragen ihren Teil zu den Ermittlungen bei.
Die Handlung verläuft in der ersten Hälfte des Krimis eher ruhig:
Es bewegt sich relativ wenig, und der Leser ist in Bezug auf das Verschwinden von Roswitha Hirschfeld genauso ratlos wie die Ermittler und der Ehemann. Alles dreht sich primär um die Fragen, wie die fast vollständig Gelähmte ihr Zimmer im 1. Stock des Wohnhauses unbemerkt verlassen konnte, und ob dies - aus welchem Grund auch immer - auf eigenen Wunsch geschah oder sie entführt wurde. Sollte Letzteres der Fall sein, stellt sich die Frage nach dem Motiv, denn im Gegensatz zu ihr ist Gottfried Hirschfeld nicht vermögend.
Ab der zweiten Hälfte des Buches nimmt die Dramatik aufgrund mittlerweile vorliegender und neu hinzukommender Informationen stetig zu. So kann der Leser - ebenso wie die Ermittler - Theorien über das Geschehene, Beteiligte und Motive ent- und zum Teil wieder verwerfen, denn es gibt einige unerwartete Entwicklungen. In diesem Part geht es vor allem um die Vergangenheit der Vermissten, Beziehungen und menschliche Verfehlungen.
Trotz einer insgesamt positiven Bewertung dieses Krimis sei erwähnt, dass mir einiges nicht einleuchten wollte:
So z.B., dass Sonderermittlerin Franziska Hausmann sogar gegenüber ihren Viechtacher Kollegen inkognito bleiben und sich als Schwester des Ehemannes ausgeben soll. Nur Sandra Falk ist eingeweiht, die bald aber auch Benedikt Simbacher ins Vertrauen zieht.
Eigenartig u.a. auch, dass der Ehemann von den nicht geräuschlos ablaufenden und eine Weile dauernden Vorgängen in der Nacht des Verschwindens seiner Frau nichts mitbekommen hat - ebenso wenig von den tagsüber bereits erfolgten Vorbereitungen.
Fazit: ein anfangs eher ruhiger, dann zunehmend spannender (bayerischer)
Krimi, der vor allem von der Aufdeckung menschlicher Verfehlungen und Verflechtungen lebt.
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