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Elmar Traks

Elmar Traks

Balci, Güner Yasemin - Das Mädchen und der Gotteskrieger (2017)

Nimet (16) lebt in Berlin. Sie ist die Tochter türkischer Eltern, die sich vor einiger Zeit getrennt haben. Zusammen mit ihrer älteren Schwester wohnt Nimet seitdem bei der Mutter. Diese arbeitet in einer Bäckerei, fühlt sich häufig mit ihrer Lebenssituation überfordert, hat dann Stimmungstiefs und spricht dem Alkohol zu.

Eines Tages bekommt Nimet eine WhatsApp-Nachricht von einem Unbekannten - aufgrund einer Verwechslung vermutet sie. Es entwickelt sich ein kurzes Gespräch, in dem sich der Mann mit Saed vorstellt. Er ist angeblich 22 Jahre alt und erzählt, dass er sich zur Zeit in der Türkei aufhält, wo er sich in Flüchtlingscamps um syrische Kriegsopfer kümmert.

Später gibt er an, dass Nimets Telefonnummer zwar eine willkürlich von ihm eingetippte Zahlenkombination gewesen sei, er sich aber über eine Freundschaft mit ihr freuen würde.

 

Der Kontakt wird intensiver, und Saed wirkt auf die 16-Jährige nicht nur sanft und verantwortungsbewusst, sondern er macht ihr auch Komplimente, weist sie mit ihrem Einverständnis in die Pflichten eines Muslims ein und lehrt sie vor allem das richtige Beten.

Im weiteren Verlauf nennt er sie seine "Verlobte", "Braut", später sogar "Frau".

 

Parallel dazu lernt Nimet in der Schulmensa eine Cousine ihrer besten Freundin kennen: Nour - geboren als Jacqueline - ist zum Islam konvertiert und lebt streng nach dessen Regeln. Sie zieht Nimet immer mehr in ihren Bann. Es entsteht eine intensive Beziehung, bei der Nour die 16-Jährige immer fester an sich bindet und sie gleichzeitig ihrer Familie und Freunden entfremdet.

 

Als der Kontakt zu Saed eines Tages abbricht, ist Nimet besorgt und verzweifelt. Bald meldet sich ein Fremder, der sagt, ihr "Mann" sei schwer verwundet und wolle, dass sie so schnell wie möglich zu ihm kommt.

 

Nour hilft Nimet bei den Reisevorbereitungen: Mit einem Flugticket, einer großen Geldsumme und einer Liste mit Kontaktpersonen ausgestattet, macht sich der Teenager auf zu einer Reise an die türkisch-syrische Grenze.

 

Fast zu spät merkt sie, dass sie von Saed und Nour benutzt und auf ein Leben im Dienste des IS vorbereitet wurde.

  

Resümee: Die Journalistin Güner Yasemin Balci ist in Berlin Neukölln aufgewachsen und hat anhand der Summe ihrer umfangreichen Recherchen die fiktive Protagonistin Nimet entwickelt. Die Schlüsselereignisse des "Mädchens" auf dem Weg zur Braut eines "Gotteskriegers" (siehe Titel) schildert sie in diesem Buch.

 

Nimet ist ein ganz normaler 16-jähriger Teenager türkischer Abstammung, der mit ihrer Freundin Cayenne gerne shoppen und in Discos geht, flirtet, sich für Mode interessiert und schminkt. Zum Islam hat sie kaum eine Beziehung, macht sich im Gegenteil gelegentlich über muslimische Frauen mit Kopftüchern lustig, Verschleierte bezeichnet sie als "Pinguine".

Sie lebt in schwierigen Verhältnissen: Die Eltern sind geschieden, die Mutter kommt mit den neuen Gegebenheiten nicht klar, ist oft depressiv und trinkt zu viel Alkohol. Immer wieder gibt es zermürbende Diskussionen mit den Töchtern, die sich ihrerseits oft uneinig sind. Das alles belastet Nimet sehr.

 

In dieser Situation treten Saed und Nour in ihr Leben. Sie bieten ihr die Aussicht auf einen neuen Lebenssinn, geben ihr eine zukunftsgerichtete Orientierung und helfen ihr somit bei der Identitätsfindung. Dabei weichen sie kaum von ihrer Seite, sind bei Kummer und Zweifeln sofort zur Stelle. Unverbrüchliche Freundschaft, sinnvolle Aufgaben und das Versprechen von Liebe stehen im Gegensatz zu Nimets bisherigen Lebensumständen und machen sie zu einem leichten Opfer. Seltene kritische Fragen und aufkeimende Ungereimtheiten werden schnell "vom Tisch gewischt".

Nimet merkt erst, als sie bereits an die türkisch-syrische Grenze gereist ist, dass sie missbraucht, einer Gehirnwäsche unterzogen und für den IS angeworben worden ist.

 

Es ist erschütternd und alarmierend zu lesen, wie einfach und schnell ein intelligentes Mädchen wie Nimet durch geschickte Manipulation in die Fänge des IS geraten kann.

Immer wieder habe ich mich während der Lektüre gefragt, ob sie an irgendeiner Stelle leichtfertig oder blindäugig gehandelt hat. Ich kann dies nur verneinen, wobei ihre familiäre Situation und die generelle Identitäts-unsicherheit eines Teenagers den Anwerbern Saed und Nour natürlich in die Hände spielte und Nimets Bereitschaft begünstigte, sich emotional an die Beiden zu binden.

 

Die Sprache des Buches ist authentisch den jeweiligen Charakteren angepasst.

 

Fazit: ein aufrüttelndes Werk, das sowohl Eltern als auch Jugendliche

   unbedingt lesen sollten.

 

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