Ein Strafverteidiger deckt auf
Stirbt ein Mensch, dann ist lt. deutscher Gesetzgebung eine Leichenschau – d.h. die genaue Untersuchung der Leiche – Pflicht. Damit sollen a) der Tod zweifelsfrei festgestellt und
b) Todesursache und – umstände ermittelt werden. Jedoch werden sehr viele Leichenuntersuchungen – wenn überhaupt - nur nachlässig durchgeführt, sodass lt. Aussage des Autors jährlich ca. 1200 Morde unentdeckt bleiben. Im Totenschein wird dann eine natürliche Todesursache attestiert.
Andererseits kommt es häufiger vor, als man denkt, dass zwar ein gewaltsames Ableben bescheinigt wird, der Täter aber trotz modernster Ermittlungsmethoden nicht überführt werden kann. Gibt es also den perfekten Mord?
Strafverteidiger Alexander Stevens sagt ja und belegt dies an 10 ganz unterschiedlichen wahren Fällen.
Er hat z.B. ebenso wie Sebastian Fitzek festgestellt, dass Kreuzfahrtschiffe der ideale Ort für den perfekten Mord sind, und beschreibt dazu den Fall eines genervten Ehemannes, der seine Frau während einer Kreuzfahrt über Bord geworfen hat. Der Täter schildert Alexander Stevens später Vorgeschichte und Hergang detailliert in einem langen Brief – kann jedoch nicht festgenommen werden.
Sehr erhellend ist auch das Gespräch zwischen einem Schlachter, Friedhofsmitarbeiter, Müllmann, Apotheker und Notarzt. Sie alle entwickeln Szenarien für den perfekten Mord in ihrem beruflichen Umfeld. Setzt der eine oder andere dies auch sogar in die Tat um? Auffälligkeiten lassen dies zumindest vermuten.
Dass sich diverse Sexspiele für die Realisierung von Mordgelüsten eignen, das ist zwar nicht neu – welche todsicheren Varianten es in Bezug auf das Entdecktwerden respektive das Überführen des Täters gibt, ist allerdings unglaublich.
Resümee: Der Autor schildert in seinem Buch 10 perfekte Morde, die entweder nicht als solche erkannt wurden, oder bei denen der Täter nicht ermittelt oder nicht überführt werden konnte.
Warum der Titel von 9 ½ Fällen spricht, hängt möglicherweise damit zusammen, dass der Mörder zumindest in Bezug auf ein Tötungsdelikt zwar im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen nicht dingfest gemacht werden konnte, er sich aber anschließend doch noch verraten hat und verhaftet werden konnte. Oder liegt der Grund darin, dass in einem anderen Fall das Opfer (noch) lebt, das Ableben der Täterin jedoch bescheinigt wurde? Auf alle Fälle soll der Titel wohl signalisieren, dass auch ein perfekter Mord Schönheitsfehler aufweisen kann.
Das Buch will aber keineswegs Anleitungen zur Durchführung eines
perfekten Mordes geben, sondern Aufklärungsarbeit leisten und gleichzeitig denjenigen den Wind aus den Segeln nehmen, die behaupten, den perfekten Mord gäbe es nicht.
Es geht dabei auch um die Frage, warum Ärzte, die z.B. zu einem in seinem häuslichen Umfeld Verstorbenen gerufen werden, oft nicht erkennen, dass ein Gewaltverbrechen vorliegt, und einen natürlichen Tod attestieren. Laut Stevens hängt das vor allem damit zusammen, dass jeder Arzt eine Leichenschau durchführen darf, etliche dafür aber gar nicht oder zu schlecht ausgebildet sind. Der Autor plädiert dafür, dass sie für diese Aufgabe speziell geschult werden.
Oder es handelt sich um den Hausarzt der Familie, bei dem der Tote wegen eines schweren Leidens in Behandlung war. Der Mediziner geht dann wie selbstverständlich davon aus, dass dies nun zum Tode geführt hat. Die Pietät gegenüber den Angehörigen verbietet ihm manchmal auch das genaue Untersuchen des Verstorbenen.
Und sonst? Wie schaffen es die Täter davonzukommen, selbst dann, wenn sie sich - aus welchen Gründen auch immer – als solche zu erkennen gegeben haben? Nur 3 Beispiele:
Todesfälle – auch gewaltsame - auf Kreuzfahrtschiffen werden meist unter der Decke gehalten, nicht weiter untersucht; mit einer großzügigen Finanz-spritze an die Angehörigen wird nicht selten deren Schweigen erkauft. Denn kein Betreiber möchte riskieren, dass die Buchungszahlen durch das Publik-machen sinken.
In einigen Ländern blüht der Handel mit gefälschten Totenscheinen, sodass auch gerne mal das Ableben eines dorthin geflüchteten Täters „amtlicherseits“ täuschend echt bescheinigt wird. Nach dem Motto: Opfer lebt, Täter tot.
Mord beim Sexspiel? Wer kann immer beweisen, dass es sich nicht um einen Unfall, sondern einen geplanten Mord handelt? Selbst wenn die Indizien stark Letzteres vermuten lassen, geht die Gerichtsbarkeit im Allgemeinen davon aus, dass heftige Sexpraktiken gelegentlich aus dem Ruder laufen können und der potenzielle Täter im Sinnesrausch nicht Herr seiner Taten ist.
Zu allen beschriebenen Fällen gibt es Erläuterungen zur jeweiligen Rechts-lage. Die fand ich zwar durchaus interessant, z.T. aber zu langatmig.
Fazit: 10 ganz unterschiedliche, ebenso spannende wie interessante Fälle.
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