Strafverteidiger Alexander Stevens beschreibt 7 spannende, ganz unterschiedliche wahre Fälle, bei denen vor Gericht Aussage gegen Aussage gestanden hat, die Justiz aber
dennoch zu einem Urteil kommen musste. Dabei geht es u.a. um Beziehungsstreitigkeiten, Gewaltverbrechen incl. Mord und Sexualdelikte.
Wie finden Richter in solchen Fällen zu einem fairen Urteil? Gilt der eherne Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“, wenn keine eindeutigen Schuldbeweise vorliegen?
Besonders beeindruckend finde ich diesbezüglich den Fall, in dem ein Landwirt – Ehemann und Vater zweier Töchter – spurlos verschwunden ist.
Er sei an dem fraglichen Tag einfach nicht nach Hause gekommen, sagt die eine Tochter. Die polizeiliche Befragung deckt jedoch ein durch die gesamte Familie verübtes grausames Gewaltverbrechen auf – alle landen vor Gericht und werden verurteilt. Dann aber kommt es eines Tages zur großen Wende …
Über Vergewaltigungen - auch von den vermeintlichen Opfern mehr oder weniger raffiniert vorgetäuschte – hat man bereits viel gelesen. Aber der dargestellte Fall schildert eine Variante, bei der der wirkliche, kaum glaubliche Sachverhalt durch einen Zufall ans Tageslicht kommt.
Höchst interessant ist auch der Fall, bei dem sich zwei befreundete junge Männer, die in einer WG leben, gegenseitig einer Straftat beschuldigen. Beweise für die Richtigkeit der Aussage des einen oder anderen gibt es nicht. Was also soll das Gericht tun? Beide verurteilen, beide freisprechen …?
Resümee: Man sollte meinen, dass die Kriminaltechnik mittlerweile so
einen Stand erreicht hat, dass jedes Verbrechen zweifelsfrei aufgeklärt werden kann. Wie der Autor weiß, ist dies jedoch nicht der Fall – 70% der Verurteilungen erfolgen aufgrund der Aussagen des (vermeintlichen) Opfers oder Zeugen. Wenn diese nicht mit den Behauptungen des Beschuldigten übereinstimmen, dann steht Aussage gegen Aussage.
In seinem Buch stellt Alexander Stevens an 7 Fällen dar, ob ein auf dieser Basis gefälltes Urteil wirklich solide, belastbar und fair sein kann. Er schildert zunächst die (vermeintlichen) Delikte, bevor er juristische Erläuterungen gibt und den Prozessverlauf beschreibt – spannend und so manches Mal mit überraschenden Wendungen.
Es geht dabei u.a. auch um folgende Fragen:
• Welche Rolle spielt das Motto „Im Zweifel für den Angeklagten“?
• Wie glaubwürdig sind jeweils Beschuldigte, Opfer und Zeugen?
• Tut Kindermund grundsätzlich Wahrheit kund?
• Lügen Tränen wirklich nicht?
• Wieviel ist generell Mimik, Gestik und Sprache von Zeugen, Opfern und
Beschuldigten beizumessen?
• Sind Autoritätspersonen wie z.B. Richter, Staatsanwälte, Polizisten per se
glaubwürdig?
• Ist die Anzahl von Zeugen relevant?
• Wie steht es mit Aussagen vom Hörensagen?
• Inwieweit spielen die Lebenserfahrung des Richters, stereotype Annahmen
und psychologische Momente bei der Urteilsfindung eine Rolle?
Fazit: ein unterhaltsames, spannendes und lehrreiches Buch
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