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Elmar Traks

Elmar Traks

Arendt, Judith – Unschuldslamm (2014)

Der erste Fall für Schöffin Ruth Holländer

 

Ruth Holländer (49/50) führt nach ihrer Scheidung wieder ein zufriedenes und ausgefülltes Leben: Sie hat ihren Traum von einem französischen Bistro verwirklicht, Sohn Lukas ist aus dem Haus und studiert, während die 16-jährige Annika noch zur Schule geht, aber sehr selbstständig ist.

Als sie eines Tages im November ein Schreiben bekommt, mit dem sie ab Beginn des kommenden Jahres zur Schöffin am Landgericht Moabit berufen wird, ist ihr der zusätzliche Job überhaupt nicht recht.

Doch ihr Umfeld ermuntert sie und Kollegin Jamila versichert, dass sie das Bistro während Ruths Abwesenheit auch alleine managen kann. Und so macht Ruth sich im Januar mit einem mulmigen Gefühl auf den Weg zum Gericht.

 

In ihrem ersten Fall wird der Mord an der 16-jährigen Deutsch-Kurdin Derya D. verhandelt, die eines Nachts in Berlin tot aufgefunden wurde. Dringend tatverdächtig ist deren älterer Bruder Aras. Das Gericht geht davon aus, dass er die moderne junge Frau, die ein selbstbestimmtes Leben abseits der familiär-kulturellen Traditionen führen wollte, getötet hat, es sich bei der Tat um einen sogenannten „Ehrenmord“ handelt.

 

Aras und seine Familie schweigen zu den Vorwürfen.

 

Ruth Holländer hegt bereits am ersten Verhandlungstag Zweifel an der Schuld des jungen Mannes und beginnt, die Ereignisse rund um die Tat kritisch zu hinterfragen.

 

Resümee: Der Klappentext gibt an „Ruth beginnt, auf eigene Faust zu ermitteln.“

Aber das tut sie keineswegs. Vielmehr ist sie eine scharfe Beobachterin, hinterfragt vergangene Ereignisse und aktuelle Vorgänge kritisch, kombiniert und hat ein sicheres Bauchgefühl. Um ihrer Schöffen-Tätigkeit möglichst gewissenhaft nachzukommen, lässt sie sich von ihrem Ex-Mann, einem Journalisten, die Zeitungsartikel zum Mord an der jungen Kurdin und zu den polizeilichen Ermittlungen aus dem Archiv besorgen.

Kurz: Die Handlung besteht nicht aus dem dem, was der Klappentext vorgibt, denn Ruth Holländer spielt ein gänzlich andere Rolle als die der eigenmächtig aktiv Ermittelnden.

 

Bei allen ihren Überlegungen zu Tatmotiv, -hergang und Täter kommt ihr zugute, dass die eigenen Kinder im gleichen Alter wie die getötete Derya D. und deren angeklagter Bruder Aras sind.

 

Der Leser erfährt von den Ereignissen, die zum Mord geführt haben, aus Rückblenden, die die Sichtweise verschiedener Personen wiedergeben, wobei diese Akteure allerdings eher blass bleiben.

 

Im Rahmen der Thematik „Ehrenmord“ geht es auch um verschiedene familiäre Strukturen:

• Die Kurdin Derya ist in Deutschland aufgewachsen. Obwohl die Eltern modern eingestellt sind und ihrer Tochter einige Freiheiten lassen, legen sie dennoch Wert auf Traditionen sowie den Zusammenhalt innerhalb der Familie und des Clans, der zum Teil in der Türkei lebt, und pflegen ein festgefügtes Rollenbild.

 

• Über den Teil der Familie, der in der Türkei beheimatet ist, erfährt man relativ wenig, außer dass sie an archaischen kulturellen Wertestrukturen festhält.

 

• In der Familie von Deryas Freund Valentin lebt jeder weitestgehend sein eigenes Leben. Die sehr dominante Mutter, eine Galeristin, gibt jedoch die Richtung vor und verbietet ihrem Sohn z.B. den Umgang mit der Kurdin, der sie erkennbar mit Abscheu begegnet.

 

• Den meisten Raum nimmt Ruth Holländers Familie und ihre eigene Rolle darin ein. Sie ist geschieden, der studierende Sohn ausgezogen, sodass sie mit der 16-jährigen, sehr selbstständigen Tochter alleine in einer Wohnung lebt. Ihr Bistro lastet sie voll und ganz aus, sodass wenig Zeit für gemeinsame Unternehmungen und die Beziehung zu ihren weiter entfernt lebenden Eltern bleibt.

 

Der Leser kann sich aufgrund der unterschiedlichen zwischenmenschlichen Konstellationen, kulturellen und persönlichen Wertvorstellungen sowie individueller charakterlicher Veranlagung genau wie Ruth Holländer in Bezug auf den Mord an Derya Gedanken über Täter und Motiv machen. Das ist zwar recht interessant – mehr aber auch nicht - denn Spannung kommt dabei kaum auf.

 

Fazit: Der Klappentext gibt einen anderen als den tatsächlichen

Handlungsverlauf vor. Das Geschehen ist im Großen und Ganzen

zwar interessant aber nur wenig spannend.

 

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