Roman
Olivia (genannt Liv) ist 26 Jahre alt und wohnt in Bristol. Vor 6 Monaten hat sie ihren Sohn tot geboren und kommt über diesen Schicksalsschlag nicht hinweg. Außerdem ist seit einiger Zeit ihr psychisch kranker Vater spurlos verschwunden.
Die Polizei geht mittlerweile davon aus, dass er freiwillig weggegangen ist, wahrscheinlich mit dem Ziel, sich das Leben zu nehmen. Liv jedoch ist davon überzeugt, dass er zurückkehren wird.
In der Hoffnung, dort Hinweise zu finden, zieht sie in seine Wohnung. Diese befindet sich über einem Laden, in dem er liebevoll Bücher restaurierte.
Doch sie kommt dort nicht zur Ruhe, denn nachts hört sie immer wieder ein Baby schreien und Gesprächsfetzen. Und morgens liegt häufig der obdach-lose Adam vor der Ladentür und fragt nach zwei Frauen, die Liv jedoch gänzlich unbekannt sind.
1831: Die 56-jährige Bethia arbeitet ehrenamtlich für ein Armenhaus in Bristol, das ihr Mann großzügig finanziell unterstützt. Als es ihr gelingt, eine Land-streicherin aufzunehmen, die 22 Jahre lang außerhalb der Ortschaft in einem Heuhaufen gelebt hat, ist Bethia stolz darauf und hofft auf Anerkennung.
Doch ihr Engagement entwickelt sich in die komplett gegenteilige Richtung.
Resümee: In den ersten zwei Dritteln des Romans wechselt kapitelweise der mit „Heute“ überschriebene Erzählstrang, in dem Liv die Protagonistin ist, mit dem aus dem Jahr 1831, in dem Bethia im Mittelpunkt steht.
Im letzten Drittel kommt als 3. Zeitebene die aus dem Jahr 1791 hinzu. Hier wird die Entwicklung des Verhältnisses zwischen den Stiefschwestern Bethia und Ellen geschildert, die letztlich für die Ereignisse 40 Jahre später verantwortlich ist.
Katherine Webb verwebt alle Zeitebenen von Gegenwart und Vergangenheit geschickt miteinander, wobei der Obdachlose Adam, der morgens oft vor der Ladentür von Livs Vater liegt, das Bindeglied darstellt. Er fragt z.B. ständig nach zwei Frauen, von denen in den Schilderungen aus der Vergangenheit die Rede ist, und erwähnt auch einen Mann. Wer ist dieser Adam, welchen Bezug hat er zu den längst vergangenen Ereignissen um Bethia und Ellen und warum sucht er stets das Haus auf, in dem Livs Vater lebt? Das sind die Fragen, die sich der Leser stellt.
Liv, die vor einem halben Jahr ihr Kind verloren hat, hört nachts einen Säugling weinen sowie Personen sprechen und fragt sich jedes Mal, ob dies in der Realität geschieht oder ob sie geträumt hat. Und auch der Leser weiß bis kurz vor Schluss nicht, was es damit auf sich hat – alles bleibt nebulös, unscharf.
Zwar kommt immer mehr Licht in das Mysterium, doch erst am Schluss ergibt sich ein schlüssiges Gesamtbild, das auch den Buchtitel erklärt.
Mit dem Verschwinden ihres Vaters kann Liv schließlich ebenfalls ihren Frieden machen.
Im Gegensatz dazu sind die Ereignisse aus den Jahren 1791 und 1831 ausschließlich klar und realistisch erzählt - auch was die historischen Fakten anbelangt – sowie die Personen und deren Charaktere scharf konturiert.
Thematisch gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Vergangenheit und Gegen-wart, wie z.B. die Beziehung zu einem Farbigen und den Verlust eines Kindes gleich nach der Geburt.
Diese Kombinationen machen den Roman fesselnd, spannend und interessant.
Fazit: ein komplett anderer Roman als die, die ich von der Autorin bislang
gelesen habe, aber nicht minder interessant spannend und unterhaltsam.
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