Nordsee-Thriller
Jule und Leander, Band 1
John ist reich, hasst Mittelmaß, hält sich selbst für den Größten und fährt mit seiner neuen Bekanntschaft Nina in einem Nobelauto
zu seiner luxuriös eingerichteten Wohnung im vornehmen Hamburger Stadtteil Harvestehude. Dort gibt es zur Begrüßung erst einmal Champagner.
Nina weiß, dass sich in ihrem Glas K.-o.-Tropfen befinden, kippt den Inhalt in einem unbeobachteten Moment weg und täuscht einen Schwips vor.
Es läuft wie geplant – allerdings nur für Nina, denn als John sein vermeint-liches Opfer ins Schlafzimmer dirigiert und mit brutalen Sexspielen beginnt, erlebt er eine böse Überraschung.
Einige Monate später – es ist Winter – hat Leander für 2 Wochen ein Zimmer in der Pension von Ninas Zwillingsschwester Jule auf Baltrum gebucht. Er ist der einzige Gast dort und benimmt sich so verdächtig, dass Jule ihn zur Rede stellt. Doch Leander rechtfertigt sein Verhalten: Er sei als Kriminalhaupt-kommissar Mordermittler beim LKA Hamburg und ermittle undercover gegen einen mehrfachen Frauenmörder, der auf der Insel lebe, aber seine Opfer auf dem Festland suche.
Doch Jules Misstrauen ist nicht beseitigt, wird im Gegenteil noch verstärkt, als Nina unerwartet bei ihr auftaucht.
Bald spitzen sich die Ereignisse zu, die drei müssen zusammenhalten, und in einer Sturmnacht geht es schließlich für alle ums nackte Überleben … und das nicht nur wegen des Wetters.
Resümee: Da ich mich während der gesamten Lektüre nach dem Sinn des Buchtitels gefragt habe, sei vorweg gesagt, dass der Begriff „Stumme Jule“ erst am Schluss des Buches kreiert wird und seine logische Bedeutung bekommt – wohl auch als thematische Grundlage für Folgebände.
Das Geschehen wird abwechselnd aus der Sicht von Nina, Jule und Leander erzählt – jeweils in der Ich-Perspektive. Das erhöht zwar einerseits die Spannung, jedoch muss man bei jedem neuen Kapitel erst einmal gedanklich „umswitchen“, um sich in den jeweiligen Protagonisten, seine aktuelle Situation und Absichten wieder hineinzuversetzen. Sprich: Der Leser muss immer im Kopf haben, um welches der 3 „Ichs“ es sich gerade handelt – das erfordert zwar ein wenig Konzentration, ist auch mit gelegentlichem Zurück-blättern zur Kapitelüberschrift verbunden (vor allem bei den Zwillings-schwestern), aber durchaus mach- und zumutbar.
Die raffiniert gewebte Handlung beginnt und endet in Hamburg, findet ansonsten aber auf der Nordsee-Insel Baltrum statt. Es wird viel Lokalkolorit vermittelt, und die authentische und atmosphärisch dichte Schilderung des Sturmtiefs unterstreicht vor allem gegen Ende die Dramatik und den Showdown.
Ich gehe davon aus, dass dieser 1. Band als Auftakt zu einer Reihe um die „Stumme Jule“ gedacht ist, und ich freue mich auf eine Fortsetzung. Dann kann ich auch die Protagonisten besser beurteilen, zu denen ich jetzt nur sagen kann, dass ich vor allem Ninas und Leanders Handlungsmotivation zwar absolut verstehen, aber nicht unbedingt gutheißen kann – Stichwort: Selbstjustiz an Tätern, derer die Polizei nicht habhaft wird.
Dann wird sich auch klären, ob nicht – wie in diesem Buch und anders als der Untertitel vermuten lässt – die eigentlichen Protagonisten Nina und Leander sind, weil sie die gleiche Motivation haben. Aber möglicherweise ist, wie im ersten Satz des Resümees angedeutet, mit Jule auch gar nicht Ninas Schwester gemeint.
Fazit: ein spannender Nordsee-Krimi, allerdings mit im wahrsten Sinne
des Wortes frag-würdiger Motivation der Protagonisten
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