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Elmar Traks

Elmar Traks

Wildenstein, Lena – Charlottenburg (2020)

Die jungen Ärztinnen

Roman

 

Anfang des 20. Jahrhunderts muss die junge Sylterin Clara Madsen mit ansehen, wie ihre geliebte Schwester Aiske bei der Geburt

ihres Kindes stirbt. Sie ist verzweifelt: Hätte Aiske überleben können,

wenn es auf der Insel eine Ärztin geben würde? Denn dass ein Mann der Gebärenden „zwischen die Beine sieht“, hat diese trotz der äußerst kritischen Situation vehement abgelehnt – zu groß ist das Schamgefühl gewesen. Und außerdem: Warum nur werden die Frauen ihrer Familie entweder gar nicht erst schwanger oder sterben bei der Geburt? In Clara reift der Wunsch, dies zu erforschen und anderen Frauen zu helfen – sie will Frauenärztin werden.

Sie macht das Abitur – damals ungewöhnlich genug für ein Mädchen – und zieht 1907 trotz aller Vorbehalte auch aus der eigenen Familie nach Berlin, um an der Charité Medizin zu studieren: Ein für Frauen schier unerhörtes, ja sogar unschickliches Unterfangen.

 

Ihr und ihren Kommilitoninnen Vicki und Ida, die sie gleich am ersten Tag kennenlernt, und die bald unzertrennliche Freundinnen werden, wird das Leben an der Universität schwer gemacht. Immer wieder müssen sie sich gegen Vorurteile, Zurückweisungen und hämische Bemerkungen von Dozenten, Professoren und Mitstudenten behaupten, die die Frauen nicht für voll nehmen. Für den Besuch jeder einzelnen Vorlesung und Veranstaltung benötigen sie – im Gegensatz zu den männlichen Studenten – die Erlaubnis des jeweiligen Leiters, um zumindest als Gasthörerinnen zugelassen zu werden.

 

Doch die drei in Bezug auf Herkunft und Mentalität so unterschiedlichen Frauen Clara, Vicki und Ida verlieren nie ihr Ziel aus den Augen, kämpfen gegen alle Widerstände hart für ihren Traum und schließen ihr Studium schließlich sehr erfolgreich ab.

Unterstützung erhalten sie von Hermine Heusler-Edenhuizen – in Pewsum bei Emden geboren, ist sie die erste anerkannte, niedergelassene Frauenärztin Deutschlands, die ab 1911 in Berlin praktizierte.

 

Doch auch private Schicksale und nicht zuletzt der 1. Weltkrieg fordern ihnen viel ab, machen das Durchhalten nicht immer leicht, und manchmal geht es auch ums reine Überleben.

 

Resümee: Dies ist ein ebenso spannender wie aufschlussreicher Roman über drei junge Frauen, die Anfang des 20. Jahrhunderts für ihren Traum kämpfen:

Die anfängliche Motivation der Sylterin Clara Madsen, Frauenheilkunde zu studieren, ist es, zu erforschen, warum die Frauen ihrer Familie entweder offensichtlich unfruchtbar sind oder bei der Geburt sterben.

Viktoria von Dutzenberg (Vicki) ist vordergründig eine lebenslustige Frau

mit der sprichwörtlichen „Berliner Schnauze“. Doch dahinter verbirgt sich

ein bitteres Los, und sie muss hart für ihren Lebensunterhalt kämpfen.

Die anfangs schüchterne Ida Rosenstein ist Tochter eines Arztes, der am Universitätskrankenhaus Hamburg Eppendorf arbeitet und auch eine eigene Praxis betreibt. Die jüdische Familie ist zum Christentum konvertiert. Auch sie trifft das Schicksal hat.

 

Jede dieser Frauen hat ihre Stärken und Schwächen, und gemeinsam

gehen sie über viele Jahrzehnte konsequent ihren Weg, halten sowohl bei beruflichen als auch privaten Problemen, Fehlschlägen und Katastrophen unverbrüchlich zusammen.

Unterstützung erhalten sie immer wieder von Hermine Heusler-Edenhuizen (1872 - 1955), die als erste anerkannte Ärztin für Frauenkrankheiten und Geburtshilfe seit 1911 in Berlin praktiziert und sich vehement für die Aus-bildung und Rechte von Frauen einsetzt. Ihr Vorbild ist die Pädagogin und Frauenrechtlerin Helene Lange.

 

Der Roman beschreibt aber nicht nur die Situation der Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, sondern auch die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Zustände und deren Folgen – und das, ohne dass auch nur einmal Lange-weile aufkommt. Lediglich gegen Ende fand ich den Handlungsverlauf etwas langatmig und zu stark auf „Happy End“ getrimmt.

 

Fazit: ein ungemein spannender Roman, der einen mit all seinen Facetten

   von Anfang an gefangen nimmt

 

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