Thriller
Als Marc kurz nach der Geburt seiner kleinen Tochter ins Krankenhauszimmer seiner Frau Romilly kommt, ist diese samt ihrer Sachen verschwunden. Lediglich das Bettchen mit dem Neugeborenen steht noch dort. Musste sie verlegt werden? Dies verneinen sowohl die Hebamme als auch die Schwestern auf der Station, wissen aber auch nicht, wo sich die Mutter aufhalten könnte. Niemand hat etwas Ungewöhnliches bemerkt oder mitbekommen, dass sie fortgegangen ist.
Auf ihrem Handy ist sie nicht erreichbar.
Während der Schwangerschaft stand Romilly wegen der Möglichkeit einer genetisch bedingten postpartalen Psychose unter ärztlicher Beobachtung.
Ist die Krankheit jetzt vielleicht aufgetreten und sie in einem Anfall von Panik geflüchtet? Aber eine frisch entbundene Mutter würde doch nicht ihr Neu-geborenes zurücklassen, oder?
Marc ist ratlos. Viel Unterstützung erhält er von Romillys 10 Jahre älterer Schwester, die immer wie eine Mutter für sie war. Sie, die selbst 2 Kinder
hat, bleibt bei ihrem Schwager und kümmert sich um den Säugling.
Auch Steffie, die beste Freundin und Arbeitskollegin der Vermissten, sowie Adam, deren Lebensgefährte und gleichzeitig Marcs langjähriger Freund, schauen regelmäßig bei ihm zu Hause vorbei.
Haben sie vielleicht eine Ahnung, ob etwas Furchtbares vorgefallen ist, sodass Romilly Hals über Kopf kurz nach der Niederkunft geflüchtet ist?
Wo könnte sie sein?
Als es einen Hinweis auf den Aufenthaltsort der Vermissten gibt, nimmt Adam die Spur auf. Und dann schreibt Romilly plötzlich verwirrende Textnachrichten an Steffie.
Resümee: Der Inhalt des Buches erstreckt sich über 5 Tage – jeweils auf-geteilt in mehrere Zeitabschnitte - und wird alternierend aus der Sicht von Romilly (Kapitelüberschrift jeweils „Die Frau“), Steffie (= „Die beste Freundin“) sowie Marc (getitelt „Der Ehemann“) erzählt. Warum die Autorin durch die Überschriften gerade bei diesen 3 Personen auf deren jeweilige Rollen hinweist, erschließt sich mir nicht, zumal sie im Text dann stets namentlich erwähnt werden. Außerdem ist mir die Bezeichnung „Die Frau“ für Romilly zu nichtssagend neutral - „Die Vermisste“ wäre meines Erachtens in Anlehnung an den deutschen und englischen (Original-) Buchtitel („Five Days Missing“) am treffendsten gewesen, zumal Romillys Verschwinden die gesamte Hand-lung initiiert und bestimmt.
Obwohl auch Adam, Marcs bester Freund und Steffies Lebensgefährte, sowie Loll, Romillys ältere Schwester, und deren Mutter Aurelia das Geschehen wesentlich beeinflussende Protagonisten sind, erfahren wir alles über sie „nur“ durch die Brille der 3 exponiert Genannten. Das heißt, deren Gedanken zum Verschwinden der jungen Frau sowie deren Bewertung des Verhaltens der anderen Akteure bleiben dem Leser weitestgehend verborgen. Schade, ganz besonders bei Adam.
Ich frage mich, warum niemand (!) wirklich dafür gesorgt hat, dass die Be-hörden Maßnahmen ergreifen, das Verschwinden der Frau aufzuklären. Denn wie im Buch mehrfach erwähnt, ist es außerordentlich ungewöhnlich, dass eine Mutter unmittelbar nach der Entbindung ihr Neugeborenes verlässt, erst recht, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Ein Verbrechen kann also nicht ausgeschlossen werden. Und wenn sie dann noch unter einer postpartalen Psychose leidet, stellt dies einen medizinischen Notfall dar – also ein doppel-ter Grund, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um Romilly möglichst rasch zu finden. Hier ist der Plot extrem unglaubwürdig.
Auch andere Stellen werfen zumindest Fragen auf, wie z.B., ob ein Neu-geborenes einen Notfall-Reisepass für einen Flug ins Ausland ausgestellt bekommen kann, obwohl die Geburt gar nicht registriert wurde.
Es gibt viele Entwicklungen und überraschende Wendungen, die für eine gewisse Spannung sorgen, und Cliffhanger an den Kapitelenden tun ein Übriges, um den Leser bei der Stange zu halten.
So begleitet einen während der gesamten Lektüre die Frage, ob Romilly
wie einst ihre Mutter wirklich an einer postpartalen Psychose mit Wahnvor-stellungen, Verwirrtheit, Depressionen u.a. Symptomen leidet oder ob ihr Ehemann dies nur vorgibt.
In jedem Fall stellt sich die Frage, warum und wohin sie Hals über Kopf nach der Geburt ihrer Tochter verschwunden ist, ohne irgendeine Nachricht zu hinterlassen.
Lange ist auch unklar, welche Rolle die ältere Schwester Loll spielt und wem Adams Loyalität gilt.
Dennoch machte sich bei mir streckenweise extreme Langeweile breit, wenn das Geschehen auf der Stelle trat, die Dialoge sich inhaltlich wiederholten oder die Gedanken der Protagonisten sich im Kreis drehten.
Erst gegen Schluss werden die meisten Fragen beantwortet und (scheinbare) Ungereimtheiten aufgelöst.
Der Schreibstil ist eher mäßig, und das Wort „postpartale Psychose“ tauchte derart häufig auf, dass es bei mir irgendwann schon Aggressionen erzeugte. Auch wenn diese Krankheit einen roten Faden in der Geschichte darstellt, hätte die Autorin die ständigen Wiederholungen des Begriffs durch Umschrei-bungen vermeiden können.
Fazit: Gegenüber dem Buch „Die Nachbarin“ der gleichen Autorin
(Rezension vom 23. Okt. 2020) fällt dieses stark ab –
und ein Thriller ist es mitnichten.
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