Ein wahrer Kriminalfall
Im Juni des Jahres 1847 stirbt bei einem Brand Gräfin Emilie
von Görlitz in ihren Gemächern. Sie ist die Gattin des Grafen Friedrich Wilhelm von Görlitz - hochdekorierter Geheimrat und Zeremonienmeister des Großherzogs von Hessen-Darmstadt. Bereits zweimal sei sie bei brennender Kerze eingeschlafen, erzählt man sich, jedoch sei es immer bei einem kleinen Zimmerbrand geblieben, der schnell gelöscht werden konnte.
Diesmal jedoch ist ihre Tür verschlossen und die Gräfin antwortet nicht. Handelt es sich wieder um einen tragischen Unfall, gar einen Fall von Selbst-entzündung? Oder hat sie sich etwa eingeschlossen, weil sie Suizid begehen wollte? Mit ihrer Ehe soll es schließlich nicht zum Besten stehen, wie man hört. Ist sie eventuell gar nicht in ihrem Zimmer?
Man bricht schließlich die Tür auf und entdeckt die an Kopf, Brust und Ober-armen verkohlte Leiche der Gräfin.
Für den untröstlichen Gatten scheint es sich zweifellos um einen Selbstmord zu handeln; aufmerksamen Beobachtern allerdings kommt einiges an seinem Verhalten suspekt vor.
Der Fall der verstorbenen Gräfin erregt in der Darmstädter Gesellschaft Aufsehen und wird diskutiert.
Schließlich verhaftet man den Kammerdiener Johann Stauf wegen des Mor-des an Emilie von Görlitz. Ein Verbrechen aus Habgier also? Seine Verlobte Christina ist fest von seiner Unschuld überzeugt – erfährt als „Mörderliebchen“ aber die Verachtung vieler Mitmenschen.
Während Johann auf seinen Prozess wartet, schließt sie sich einer Gruppe um Luise Büchner an, die für die Rechte von Frauen und deren Selbstständig-keit eintritt.
Als im Frühjahr 1848 die Revolution ausbricht, hofft Christina, dass ein gesell-schaftlicher Umsturz sich positiv für ihren Verlobten auswirkt, und schließt sich den Radikaldemokraten an.
Vom Tod der Gräfin bis zum Beginn der Gerichtsverhandlung sollen gut
2 Jahre vergehen.
Resümee: Die Romanhandlung basiert auf einem wahren Mordfall, der sich 1847 im Vorfeld der Deutschen Revolution (1848 / 1849) in Darmstadt ereig-nete und großes gesellschaftliches Interesse erzeugte:
Gräfin Emilie von Görlitz stirbt bei einem Brand in ihren Gemächern. In der Folge wird der Kammerdiener Johann Stauf des Mordes beschuldigt und inhaftiert. Ihm droht die Todesstrafe. Doch aufmerksame Beobachter hegen Zweifel an seiner Täterschaft, sie haben den Gatten in Verdacht, einige schließen sogar einen Suizid nicht aus.
Auch Johanns Verlobte Christina Born – sie existierte wie er ebenfalls real - glaubt fest an seine Unschuld. Beide haben eine gemeinsame Tochter, die bei Christinas Eltern wohnt. Ist ein uneheliches Kind zu damaliger Zeit an sich schon ein Skandal, so wird sie jetzt endgültig von der Gesellschaft verachtet und als „Mörderliebchen“ beschimpft.
Sie ist eine rebellische junge Frau, die für die Rechte und Unabhängigkeit
des weiblichen Geschlechts kämpft – ebenso wie Georg Büchners Schwester Luise (1821- 1877). 1848 schließt sich Christina der Revolution an, deren Ziel außer der Abschaffung der Nationalstaaten auch eine Veränderung der dy-nastischen Strukturen und sozialen Ordnung ist. Dabei hofft sie auch, dass die gesellschaftliche und politische Neuordnung Johanns Freilassung herbei-führt.
Doch Johann muss mehr als 2 Jahre auf seinen Prozess warten. Er wird schließlich des Mordes an der Gräfin, des Raubes und Diebstahls, der Brandstiftung und des versuchten Mordes am Grafen angeklagt. Eindeutige Beweise fehlen jedoch, und so gilt das Verfahren als einer der ersten deut-schen Indizienprozesse, in dessen Verlauf mehr als 100 Zeugen sowie Gut-achter gehört werden, u. a. auch der Chemiker und Universitätsprofessor Justus von Liebig. Zu klären ist dabei vorrangig die Frage, ob es sich beim Tod der Gräfin um einen Unfall, Suizid oder Mord gehandelt hat.
Eine weitere Hauptfigur in diesem Roman ist der Doppelagent Peter Emig - einer der wenigen frei erfundenen Charaktere -, den wir bereits aus „Darm-städter Nachtgesänge“ kennen. Er gibt sich als Revolutionär aus, und wirkt dabei mit seiner Struwwelpeter-Mähne und seinem wilden Bart authentisch, denn diese sind das Erkennungsmerkmal der Radikal-Demokraten und Sozialisten.
Der „Struwwelpeter“ von Heinrich Hoffmann aus dem Jahr 1844 ist übrigens eine wohlmeinende Persiflage auf diese Revolutionäre.
Neben Peter Emig und der Familie Büchner tauchen in diesem aktuellen Roman noch weitere bereits aus „Darmstädter Nachtgesänge“ bekannte Akteure auf, die von der Autorin weiterentwickelt worden sind. Dennoch ist „Das Darmstädter Mörderliebchen“ nicht als eine Fortsetzung zu betrachten:
Es liegen zwölf Jahre zwischen den Handlungen, Georg Büchner – um den sich im Wesentlichen der 1. Fall drehte - ist bereits 1837 im Alter von 23 Jahren gestorben, und die Protagonisten sind andere.
Ella Theiss hat ein enormes Quellenstudium betrieben, von denen ein paar Highlights in dem spannenden Roman abgedruckt sind und ein interessantes Zeitzeugnis liefern.
Fazit: ein spannender historischer Kriminalroman vor dem Hintergrund
der Deutschen Revolution 1848 / 1849
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