Laut Wikipedia wird das Wort „Ausländerfeindlichkeit“ heutzutage meist durch den umfassenderen Begriff „Fremdenfeindlichkeit“ ersetzt und ist wie folgt definiert:
Sie „bezeichnet eine ablehnende, ausgrenzende oder feindliche Haltung gegenüber Personen oder Gruppen (…), die als andersartig angesehen werden.“
Dabei wird die Andersartigkeit immer am Grad der Abweichung zu bestimmten Determinanten der eigenen Nation gemessen, seien es Lebensweise, Mentalität, Kultur, Sprache, Religion, Hautfarbe.
Wenn man wie wir aus einem Land ausgewandert ist, in dem Einstellungen und Aktionen gegenüber Fremden in oben genanntem Sinne an der Tages- ordnung sind, ist es interessant zu erfahren, wie man eigentlich selbst als Ausländer in dem Land, das man als seine neue Heimat gewählt hat, be- handelt wird.
Um es vorweg zu nehmen:
Ausländer- oder Fremdenfeindlichkeit, wie wir sie in Deutschland gegenüber Andersseienden beobachten konnten, haben wir hier in den nun fast 2 Jahrzehnten, die wir in Andalusien leben, NIE erfahren! Direkte Ablehnung in Form von spürbarer Abneigung, verbalen Angriffen oder Zurückweisung ebenfalls nicht.
Das Heftigste, was mir diesbezüglich widerfahren ist, habe ich einmal auf der Post erlebt:
Es war während Adventszeit und vor dem einzigen Schalter hatte sich eine lange Schlange gebildet. Direkt vor mir standen 2 Spanierinnen mittleren Alters, von denen besonders eine zunehmend ungeduldig wurde. Irgendwann platzte ihr der Kragen und sie schimpfte (zwar ver- halten, aber dennoch für die direkt hinter und vor ihr Wartenden und des Spanischen Mächtigen gut verstehbar): „Diese dauernde Warterei! Das kommt nur durch die vielen Ausländer! Die sollen doch bleiben, wo sie sind und uns in Ruhe lassen!“
Ihrer Bekannten war das erkennbar peinlich und sie antwortete: „Na ja, aber die Residenten sind ja auch gut für uns! Die bringen ja viel Geld rein!“
Und genau das ist der Punkt:
Die große Mehrheit der Spanier würde zwar lieber unter sich bleiben (siehe auch „Kontakt zu Spaniern“ unter diesem Link), ist sich aber durchaus der wirtschaftlichen Vorteile bewusst, wenn viele Residenten sich hier niederlassen.
Insofern bewegt sich ihre Einstellung gegenüber Ausländern im Allgemeinen irgendwo zwischen freundlicher Akzeptanz, Toleranz und Ignorieren.
Das bedeutet allerdings keineswegs, dass Einheimische und Zugereiste von Spaniern stets gleich behandelt werden.
Oh nein, hier laufen oft sehr subtile Mechanismen ab, die ich an ein paar Beispielen verdeutlichen möchte.
Angemerkt sei vorab, dass die Worte „Spanier“ und „Ausländer“ synonym für Frauen und Männer benutzt werden und dass es sich, wenn auch an Einzelfällen veranschaulicht, keineswegs um Ausnahmen handelt, sondern die genannten Verhaltensweisen gang und gäbe sind.
In unserem kleinen Dorf kennt man mich mittlerweile recht gut und weiß, dass ich ganz passabel Spanisch spreche und noch besser verstehe. Dennoch erlebe selbst ich immer wieder Folgendes:
Bringe ich ein Anliegen vor, das meinem spanischen Gegenüber genehm ist, ihm keine Mühe macht, evtl. sogar nützt, so ist die Verständigung über- haupt kein Problem. Alles läuft absolut reibungslos, erst recht, wenn der Andalusier sich auch noch um eine vergleichsweise langsame Sprech- geschwindigkeit bemüht.
Ist ihm die Angelegenheit jedoch lästig, so wird oft mit einem wiederholten „no comprendo“ („ich verstehe nicht“) die Sprache vorgeschoben, um sich eines unliebsamen Auftrags möglichst zu entledigen. Seine eigene Artiku- lation erreicht dabei Überschallgeschwindigkeit, damit ich – wie er hofft - einsehe, dass eine erfolgreiche Kommunikation ausgeschlossen ist. Wer mich kennt, weiß allerdings, dass dies nur Wunschdenken ist – aber aus Sicht der Spanier ist es immer wieder einen erneuten Versuch wert …
kann ja sein, dass ich mal in schlechter Tagesform bin und es doch stecke!
An anderen Situationen wird deutlich, dass Landsleute generell gerne bevorzugt behandelt werden:
Steht man z.B. in einem Geschäft an der Kasse, passiert es häufig, dass ein Spanier just in dem Moment, wenn man selbst an der Reihe wäre, einen komplett ignoriert, sich wie selbstverständlich an einem vorbeischiebt, seine Ware aufs Laufband oder die Ladentheke legt und die Kassiererin bittet, „das mal eben zu machen“. Und sie leistet seiner Bitte Folge, ohne auch
nur mit der Wimper zu zucken.
Dem Ganzen wird bei Protest von meiner Seite meist noch die Krone aufgesetzt: Der Drängler schaut mich empört an und blafft bar jeden Unrechtsbewusstseins: „Queeee?!“ („Waaaas?!“)
Dabei kommt es auch durchaus vor, dass die Bevorzugung von der Kassie- rerin ausgeht, die den Spanier – egal ob jung oder alt, mit viel oder wenig Ware - hinter einem vorwinkt. Meist handelt es sich dabei um Verwandte, Nachbarn, Freunde, Bekannte – in einem kleinen Ort wie C. ist es allerdings schwierig, jemanden zu finden, der nicht einer dieser Gruppen angehört.
Mir selbst ist diese Vorzugsbehandlung noch nie zuteil geworden, selbst dann nicht, wenn ich nur 3 Teile in der Hand hatte. Und innerhalb der ein- heimischen Kundschaft geht es auch immer schön der Reihe nach, wenn nicht untereinander eine Absprache stattfindet.
In den genannten Fällen wäre es vergeudete Energie zu protestieren – die spanischen Kunden hinter einem werden immer andere sein und die Kas- siererin wird ihren Verwandten, Freunden etc. gegenüber nicht meinetwegen ihr Entgegenkommen ändern.
In meinem favorisierten Obst- und Gemüseladen musste die Kassiererin eine Zeit lang just immer gerade dann unbedingt Ware irgendwo einsortieren oder auszeichnen, wenn ich an der Reihe war, meine Einkäufe sogar schon auf dem Tresen lagen. Nie konnte ich beobachten, dass sie ihren Posten verließ, wenn es darum ging, einen Spanier zu bedienen.
Dies änderte sich erst, als ich einmal fragte - einen großen Berg an Obst und Gemüse hatte ich bereits auf die Theke gepackt -, wie lange sie etwa
für ihre Tätigkeit brauchen würde, ich würde dann nämlich zwischenzeitlich schon mal ins gegenüberliegende Geschäft gehen, meine Sachen bei ihr dann später abholen.
War ich es gewohnt, genau wie spanische Kunden, auf dem Wochenmarkt und einem anderen Obst- und Gemüseladen immer mit Zugaben wie einem Strauß Kräuter oder ein paar Obststücken bedacht zu werden, so kamen in einem anderen Geschäft nur Spanier in diesen Vorzug.
Hier trug der Hinweis, dass ich auch gerne mal dieses oder jenes probieren würde, im wahrsten Sinne des Wortes Früchte.
Bei Behörden ist es gelegentlich so, dass der Mitarbeiter, an den man sich wendet, gerade „gar keine Zeit hat“, er nach eigener Aussage seeeehr beschäftigt sei. Man möge doch bitte auf den Kollegen warten, der „gleich“ (man weiß, was das in Spanien bedeuten kann) zurückkommt. Bekommt man dann jedoch mit, dass erst einmal mit anderen Anwesenden oder am Telefon ein längeres privates Gespräch geführt wird oder spanische Klientel durch- aus vorgelassen wird, dann ist es meist Erfolg versprechend zu inter- venieren.
Es ist uns auch schon passiert, dass wir im Restaurant ein Getränk be- stellten, uns aber mit dem Ausdruck größten Bedauerns gesagt wurde, dass dies an dem Tag leider nicht zu haben sei. Was mussten wir aber kurz darauf beobachten? Etwas entfernt sitzende Spanier bekamen genau diese Köst- lichkeit! Vielleicht war der Bestand geschrumpft, und man verwaltete den Mangel für die Landsleute?
Die Erfahrung zeigt, dass es auch hier keinen Zweck hat, den Ober darauf hinzuweisen: Er wird um Erklärungen nicht verlegen, das Getränk für einen selbst aber weiterhin nicht verfügbar sein.
Manchmal merkt man allerdings gar nicht, dass man als Ausländer eine andere Behandlung als die Einheimischen erfährt:
So habe ich lange gebraucht, um zu realisieren, dass ein kleiner Super- markt in unserem Dorf für einige Produkte von Ausländern höhere Preise nimmt als von den Dorfbewohnern. Als ich dann vor Jahren einmal bat,
bitte das Gleiche wie diese zu bezahlen, lächelte die Eigentümerin nur verschmitzt, nickte wortlos … und der Fall war ein für alle Male geklärt.
Nein, eine deutlich „ablehnende, ausgrenzende oder feindliche Haltung“ haben wir hier in Andalusien wirklich nie erfahren – eine Bevorzugung der Einheimischen allerdings oft.
Generell gilt hier sinngemäß die folgende Verhaltens-Maxime:
„Herr, gib mir die Kraft, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
die Gelassenheit, das Unabänderliche zu ertragen und
die Weisheit, zwischen diesen beiden Dingen die rechte Unterscheidung zu treffen.“
(Franz von Assisi)
© Annette Traks