Während Auswanderer anderer Nationen in ihrer neuen Heimat Spanien meist nach dem Prinzip „leben und leben lassen“ agieren, sehen unsere deutschen Landsleute – wen wundert’s!! – das oft nicht so locker:
Kaum leben sie nämlich ganz oder zeitweise in Andalusien, da meinen etliche Zugereiste, sie – und nur sie! - hätten den absoluten Durchblick, wie das Leben hier läuft respektive zu laufen hat. Dies anderen Residenten klarzumachen, selbst wenn diese sich nicht minder lange im Land aufhalten, wird nun anscheinend zu ihrer engagiertesten Aufgabe! Dabei bedienen sie sich ungefragt und penetrant verschiedener Methoden – oft im Sinne einer Steigerung.
Methode 1:
Man glaubt, ganz unverbindlichen Smalltalk zu machen und erwähnt dabei völlig arglos auch irgendeine banale Sache, die man erledigt hat. Aber schwupps – wie der Hund, der gierig nach einem Stückchen Wurst schnappt, – bemächtigt sich der Gesprächspartner dieses Themas und beraubt es seiner Unwichtigkeit. Egal, ob es sich um eine Behörden- oder Handwerker-Angelegenheit, eine Autoreparatur, einen Arztbesuch, eine Gartenplanung oder sonst etwas handelt – er weiß schlichtweg über alles ganz genau Bescheid und fühlt sich gedrängt, seine Meinung kundzutun. Unabhängig davon, ob man selbst vorher noch Gelegenheit hatte, die eigenen Vor-stellungen zu erläutern, beginnt das Statement des selbst ernannten Allround-Experten im Allgemeinen gewichtig mit einer Variation von: „Ich mache das immer so und so ...“ Diese Nachdrücklichkeit – meist unter-strichen von bedeutungsvoller Mimik und Gestik – gibt manchem Greenhorn das Gefühl, etwas immens Wichtiges völlig dilettantisch angepackt zu haben. Aber um ehrlich zu sein...: Die meisten belächeln diese kindische Wichtig-tuerei und spenden nicht die ersehnte Bewunderung. Und dabei sollte man es tunlichst bewenden lassen - auch wenn es zugegebenermaßen oft schwer fällt.
Denn gibt man dem Sabelotodo (Besserwisser) Contra, betont die Unwichtigkeit des betreffenden Themas für sich selbst oder gibt ihm zu verstehen, dass die eigene Vor-gehensweise eigentlich ganz zielführend war, so wird das keineswegs akzeptiert! Nein, nein, dies ist nur noch mehr Futter für das Gegenüber, denn nun wird viel missionar-ischer Eifer darauf verwendet zu erklären, warum der ignorante Gesprächs-partner die Tücken und Tiefen seines Problems noch immer nicht kapiert hat. Da hilft manchmal nur, das Gespräch abrupt zu beenden und die Flucht zu ergreifen.
Methode 2:
Irgendwann kommt der Zeitpunkt, da möchte man einer Unterhaltung mit so einem Gernegroß am liebsten ganz aus dem Weg gehen. Da sich das aber nicht immer einrichten lässt, umschifft man sorgfältig bereits als „brisant“ bekannte Themen. Das hindert den „Hallo-nur-ich-weiß-wie-es-hier-läuft“-Residenten mit Sendungsbewusstsein jedoch keineswegs daran, sich ungefragt aufzudrängen. Seine Ratschläge, nein Anweisungen, beginnen meist mit „Ihr müsst ...“ Auch wenn man an dieser Stelle noch so deutlich keinen Bedarf an seiner Lebensberatung signalisiert, fährt er nachdrücklich fort, einem seine Gründe für das „Müssen“ zu erklären. Meist sind diese auf einen einfachen Nenner zu bringen: „Ich habe es auch so gemacht!“ Oder als kategorischer Imperativ: „Das macht man halt so!“ Das treibt manchmal recht skurrile Blüten:
♦ Da „muss“ man unbedingt seinen Hof mit einer Schicht Chinos (kleine Kieselsteine) bedecken. Begründung: Das mache man hier so und das sehe besser aus. - Dies fordert jemand, auf dessen Grundstück Besucher mit ihrem Auto nicht fahren dürfen, weil die Kiesel dann in Unordnung geraten.
♦ Man „muss“ eine Klingel am Hoftor installieren lassen, um jederzeit erreichbar zu sein. - Das behauptet jemand, der sich darüber beklagt, oft ausgerechnet während der Siesta herausgeläutet zu werden.
♦ Hundebesitzer „müssen“ selbst im Campo die Haufen ihres Vierbeiners mit einer Tüte aufnehmen. - Das meint jemand, der die solcherart gefüllten Behältnisse dann am Wegesrand stehen lässt.
♦ „Ich kaufe nur noch bei XY ein!“ Unterton: „Schön dumm, wenn Du noch woanders einkaufst!“ - Ein paar Wochen später scheint es jedoch eine Plan-änderung gegeben zu haben – besagte Hausfrau berichtet nämlich trium-phierend von einem höchst lukrativen Einkauf bei eben dem geschmähten Konkurrenten.
♦ Umgekehrt wird ein elektrischer Toröffner als spinnert betrachtet. Den hat man hier - soll heißen der Schlaumeier – nämlich nicht.
Und so weiter und so fort – die Liste ließe sich beliebig lang fortsetzen.
Methode 3:
Erweist man sich als allzu beratungsresistent, dann wird so mancher Mitmensch auch gerne zum Hilfssheriff:
Renitente Anwohner werden angezeigt, wann immer auch nur ein Quäntchen Aussicht auf Erfolg besteht – und sei es manchmal nur aus Prinzip, um dem Ignoranten zu zeigen, wer hier zu sagen hat, wo es langgeht. Toleranz ist schließlich im Deutschen ein Fremdwort, und nur wenige akzeptieren es wenigstens als Lehnwort!
Methode 4:
Gibt der unauffällige und unkommunikative Mitbürger nun so gar nichts zur Demonstration der eigenen Überlegenheit her, ja, dann muss man halt nach-helfen. In Abwandlung von Methode 1 wird ein Gespräch mit „Ich habe ...“ eingeleitet und ungefragt ein wahres „Heldenepos“ vorgetragen:
♦ Wie hat man doch dem Bürgermeister Bescheid gegeben
(sich aufdrängende Frage: In welcher Form?
Selbiger beherrscht ausschließlich die spanische Sprache, der Gesprächspartner genau ebendiese auch nicht ansatzweise).
♦ Oder da hat man doch erst einmal dem alteingesessenen spanischen Bauunternehmer haarklein erklären müssen, wie ein bestimmtes bauliches Vorhaben zu realisieren ist
(Fragen: a) siehe oben; b) wie, ohne jegliche diesbezügliche theoretische oder praktische Erfahrung?).
♦ Witzig auch die Aussage eines Landsmannes, er sei hier wunderbar integriert, jeder erkenne ihn an, er fühle sich schon selbst wie ein Spanier.
Zum Lachen deshalb, weil kaum jemand – gleich welcher Nationalität – etwas mit ihm zu tun haben möchte und sein Spanisch mehr als zu wünschen übrig lässt. Außerdem: Wie fühlt ein Spanier?
Auch hier ließen sich unendliche viele Beispiele aus den verschiedensten Bereichen liefern.
Sind all diese Stadien ohne den erwünschten Effekt durch-laufen, sieht der notorische Besserwisser nur einen Ausweg: die demonstrative Nichtachtung der unbelehrbaren Lands-leute. Geschafft, könnte man meinen, wenn es nicht gleich-zeitig auch traurig wäre, dass auf diese Weise ein von wechselseitiger Anerkennung und Toleranz bestimmter Zusammenhalt gerade im Ausland verhindert wird.
Da ist es sehr wohltuend, wenn man gelegentlich auch mal auf Landsleute trifft, die nicht ständig das Gefühl haben, sich und anderen etwas beweisen zu müssen, die nicht ihre Einstellung als die einzig richtige proklamieren, sondern ihre Mitmenschen einfach so akzeptieren wie sie sind.
© Annette Traks