oder: Varianten der Leistungsverweigerung
Die Welt ist bekanntlich durch das Internet zum Dorf geworden, aber wenn man aus einem Dorf im andalusischen Hinterland etwas aus der großen weiten Welt bestellt, kann die Zustellung ganz schön nervenaufreibend sein!
Entgegen mancher Vorurteile ist es KEIN Problem, wenn der Lieferant mit „normaler“ Post versendet und das Päckchen / Paket im hiesigen Postamt landet. Die spanische Post ist im Allgemeinen besser als ihr Ruf, und man kann relativ sicher sein, das Erworbene nach etwa 10 Tagen in Händen zu halten.
Wehe aber, man ist auf einen Verkäufer angewiesen, der die Bestellung ausschließlich – und oft gut gemeint – durch Paketdienste auf den Weg bringt. Dann beginnt der Kampf des Empfängers um die Auslieferung seiner Ware, den er nur mit guten Spanisch-Kenntnissen, starken Nerven, Durchsetzungsvermögen, Flexibilität, Engelsgeduld und viiiiel Optimismus für sich entscheidet.
Unser Haus befindet sich nun nicht gerade einsam im unwegsamen Hinterland, sondern zusammen mit etlichen anderen an einem gut asphaltierten Weg ca. 3 km außerhalb des Dorfes.Und es ist nicht nur über seinen Namen und die Angabe des Wohngebietes, sondern vor allem über eine offizielle Hausnummer eindeutig identifizierbar. Dennoch hat es bislang KEIN Kurier-Dienst geschafft, bis zu uns vorzudringen. Gut, es ist nicht über gängige Navigationssysteme zu lokalisieren, aber einmal im Ort fragen …
Nun haben wir uns auf diese Situation eingestellt und geben direkt in der Adresse auch unsere Handy-Nummer als „teléfono de contacto“ an, damit der Zusteller jederzeit mit uns in Verbindung treten kann. Dann können wir für die Waren-Übergabe einen ihm genehmen Zeitpunkt am Ortseingang vereinbaren, damit er weder suchen noch einen Kilometer zu viel fahren muss – soweit die Theorie!
In der Praxis warteten wir in dieser passiven Lauerstellung nämlich meist vergeblich auf einen Anruf, sondern lasen irgendwann in der Sendungsverfolgung wahlweise „Adresse falsch“, „Adresse nicht gefunden“ oder „erfolgloser Zustellversuch“. Nur eine sofort unsererseits gestartete intensive und beharrliche Kommunikation mit der Paketdienstzentrale via e-mail und/oder Telefon konnte dann verhindern, dass die Ware zurück zum Absender ging.
Daher ergreifen wir nun stets „die Flucht nach vorne“: Sobald wir in der Sendungsverfolgung sehen, dass die Ware im Auslieferungsdepot angekommen ist, drängen wir dort per Email auf eine umgehende Kontaktaufnahme vor der Zustellung.
Das Ergebnis sind Sternstunden der Paketzustellung, die mal mehr mal weniger brillant sind:
Variante 1 (sehr selten): Die Paketdienst-Zentrale ruft tatsächlich an, vereinbart die Zustellung für den Folgetag und sichert zu, dass der Fahrer ca. 15 Minuten vorher durchruft, damit wir uns zwecks Übergabe vor einer sehr bekannten und zentral gelegenen Eisenwaren-Handlung treffen können. ---
Aber wir warten und warten, nichts geschieht, doch in der Sendungs-Historie steht irgendwann „Paket erfolgreich zugestellt“. Das erste Mal machte sich bei uns tiefe Ratlosigkeit breit: „Wo mochte unser Paket abgeworfen worden sein? Wer würde sich jetzt an seinem Inhalt erfreuen? Was könnte schief gelaufen sein?“ Dann plötzlich die Eingebung: Vielleicht war es ja dem gestressten Fahrer zu viel Action gewesen anzurufen, und er hatte es einfach gleich in der Eisenwaren-Handlung abgegeben? Ein Anruf dort bestätigte unsere mehr als vage Vermutung! Alternativ dazu wurde es auch einfach in einem Papierwaren-Geschäft im Ort deponiert. Hier informierte uns dann wenigstens der Inhaber telefonisch über das freudige Ereignis.
Variante 2 (selten): Anfang wie Variante 1, erster Teil ---
und alles klappt einfach wie verabredet.
Variante 3 (häufiger): Zunächst wie Anfang Variante 1, ---
aber es geschieht gar nichts. Wir fragen telefonisch beim Paketdienst nach und uns wird erklärt, dass der Fahrer an diesem Tag gar keine Tour nach Cómpeta hatte, was der gestrige Telefonpartner aber anscheinend nicht wusste. - Im zweiten Anlauf klappt es dann irgendwie.
Variante 4 (sehr häufig): Wieder Anfang wie Variante 1 ---
jetzt ruft der Zusteller sogar an, jedoch mit der klaren Anweisung, er sei jetzt in Cómpeta und ich habe in 5 Minuten am Treffpunkt zu sein. Klar, wenn ich weiß, dass an dem Tag optimistischerweise ein Paket geliefert wird, fange ich nichts an, was ich nicht unverzüglich stehen und liegen lassen kann: „Allzeit sofort abmarschbereit sein“ heißt die Tageslosung – aber 10 Minuten brauche ich für die Fahrt nun doch! Damit ziehe ich mir allerdings oft den Unmut des Fahrers zu, der nachdrücklich betont: „No, no, en 5 minutos, o.k.?!“ Worauf ich mittlerweile in – für meine Verhältnisse – stoischer Ruhe antworte: „Si, si, en 5 minutos!“ Komme ich dann nämlich nach 10 Minuten am Treffpunkt an, ist vom Paketdienst meist weit und breit noch nichts zu sehen – 5 spanische Minuten können manchmal seeeehr lang sein.
Variante 5 (meist): Die Sendung wird nicht vorab für einen bestimmten Tag angekündigt, sondern der Fahrer ruft irgendwann an – dann im Großen und Ganzen wie in Variante 4 geschildert. Gut, dass man der Sendungs-Verfolgung im Allgemeinen entnehmen kann, dass sich das Paket im Auslieferungsprozess befindet. Also gilt wie in Variante 4 beschrieben: permanente Absprung-Bereitschaft – der Tag ist auch hier gelaufen!
Fazit: Wer uns etwas schicken möchte – herzlich gerne! - aber bitte, bitte nur mit „normaler“ Post!
© Annette Traks